1.7 Arbeitslosigkeit
Arbeitslosenzahl erreicht neues Hoch
Die Zahl arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker hatte sich 2020 coronabedingt kräftig erhöht (Abbildung 1.7 – 1). Dieser Anstieg konnte 2021 und 2022 nur teilweise abgebaut werden. 2023 und 2024 nahm die Arbeitslosenzahl im Zuge der Konjunkturschwäche erneut kräftig zu. So waren 2024 durchschnittlich 290.000 Personen mit akademischem Abschluss arbeitslos. Das waren 47.000 mehr als im Vorjahr und so viele wie in den letzten zehn Jahren nicht. Der Anstieg fällt prozentual mit 19 Prozent deutlich stärker aus als die Zunahme der Arbeitslosigkeit insgesamt, die um 7 Prozent gestiegen ist.
Akademiker-Arbeitslosenquote weiter auf Vollbeschäftigungsniveau
Die Akademiker-Arbeitslosenquote stieg von 2,5 Prozent im Jahr 2023 auf 2,9 Prozent im Jahr 2024. Vor der Corona-Krise 2019 hatte sie noch bei 2,1 Prozent gelegen. Trotzdem ist das Niveau der Arbeitslosigkeit weiterhin relativ gering. Bis zu einer Arbeitslosenquote von rund 3 Prozent wird üblicherweise von Vollbeschäftigung gesprochen.
Abbildung 1.7 - 1
Kräftiger Anstieg der Akademikerarbeitslosigkeit, aber weiterhin Vollbeschäftigungsniveau
Jahresdurchschnittsbestand an Arbeitslosen mit (Fach-)Hochschulabschluss und Arbeitslosenquote
Deutschland
Seit 2007 Akademiker-Arbeitslosenquote konstant unter 3 Prozent
Die Arbeitslosenquote ist für längerfristige Betrachtungen besser geeignet als die absolute Zahl an arbeitslosen Personen, weil hier im Nenner auch die stark aufwärts gerichtete Entwicklung der Beschäftigtenzahl ihren Niederschlag findet.
Ein Rückblick über fast fünf Jahrzehnte zeigt, dass Arbeitskräfte mit (Fach-)Hochschulabschluss immer vergleichsweise selten von Arbeitslosigkeit betroffen waren (Abbildung 1.7 – 2). Selbst in konjunkturell schlechten Zeiten blieb die Akademiker-Arbeitslosenquote auf sehr gering.1 Seit der Wiedervereinigung bewegte sich die Quote in der Regel unterhalb der 4-Prozent-Marke, seit 2007 sogar kontinuierlich unter 3 Prozent.2
Abbildung 1.7 - 2
Akademikerinnen und Akademiker immer seltener arbeitslos als andere Qualifikationsgruppen
Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten
Deutschland, bis 1990 früheres Bundesgebiet
Das größte Risiko, arbeitslos zu werden, tragen im Gegensatz dazu die nicht formal Qualifizierten. Hier ist die Arbeitslosenquote in den letzten Jahrzehnten auf ein sehr hohes Maß gestiegen (Spitzenwert 1997 mit 26,9 Prozent). Auch wenn die Quote nach 2005 bis 2019 etwas rückläufig gewesen war – aktuell ist mehr als jeder fünfte nicht formal Qualifizierte arbeitslos gemeldet.
In dieser unterschiedlichen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit spiegelt sich der Strukturwandel wider: Die Zahl der Arbeitsplätze, die hohe Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten stellen, hat zugenommen, während der Bedarf an einfachen Tätigkeiten, die keinen Berufsabschluss erfordern, auf niedrigerem Niveau verharrt.
Geringste Arbeitslosenquoten in Verwaltungsberufen, bei Lehrkräften und im Sozialwesen
Nach Berufen betrachtet gibt es die geringsten Arbeitslosenquoten in Verwaltungsberufen und bei Lehrkräften. In diesen Berufsfeldern, für die die Beschäftigungssicherheit des öffentlichen Sektors prägend ist, erreichten die berufsspezifischen Arbeitslosenquoten 2024 einen Wert bis höchstens 1,3 Prozent (Abbildung 1.7 – 3). Aber auch im Sozialwesen, im technischen Ingenieurwesen, in den Rechtswissenschaften und in Medizin und Pharmazie ist Arbeitslosigkeit ein seltenes Phänomen. Es gibt aber auch akademische Berufsfelder, in denen die Arbeitslosenquoten vergleichsweise hoch ausfallen. Hierzu gehören die Naturwissenschaften mit 8,3 Prozent, Mediengestaltung, Werbung und Marketing mit 7,5 Prozent oder die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften mit 6,5 Prozent.
Abbildung 1.7 - 3
Erhebliche Spannbreite bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten
Berufsspezifische Arbeitslosenquoten für ausgewählte Berufsgruppierungen - jeweils Experte/-in
2024 im Vergleich zum Vorjahr (Richtungspfeile)
Studienfachspezifische Arbeitslosenquoten relativieren die Einschätzung
Vor allem für Berufe mit relativ hohen Arbeitslosenquoten ist es sinnvoll, einen ergänzenden Blick auf die studienfachspezifischen Arbeitslosenquoten 3 zu werfen (Abbildung 1.7 – 4).
Diese zeigen an, welcher Anteil der Erwerbspersonen, die einen Studienabschluss in einem bestimmten Studienfach aufweisen, im betrachteten Jahr durchschnittlich arbeitslos war. Dabei steht nicht, wie bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten, die konkret ausgeübte bzw. gesuchte Berufstätigkeit im Fokus, sondern der formale Abschluss. Es spielt also keine Rolle, ob eine Tätigkeit passend zum absolvierten Studienfach ausgeübt wird oder in einem fachfremden Bereich. Gerade für die Studienfächer, die nicht auf eine konkrete Berufstätigkeit vorbereiten, sondern Kompetenzen für ein weites Tätigkeitsspektrum eröffnen, wie z. B. den Naturwissenschaften oder den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, ergibt sich dadurch ein aussagekräftigeres Gesamtbild.
Abbildung 1.7 - 4
Arbeitslosenquoten zwar gestiegen, aber trotzdem in den meisten Studienfachrichtungen sehr gering
Studienfachbezogene Arbeitslosenquoten für ausgewählte Studienfachrichtungen in Prozent
2023
So fällt die studienfachspezifische Arbeitslosenquote für Personen mit einem Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Fach nominal erheblich geringer aus als die berufsspezifische Arbeitslosenquote: Für Erwerbstätige mit einem abgeschlossenen Mathematik-, Statistik-, Physik- oder Chemie-Studium errechnen sich studienfachspezifische Arbeitslosenquoten von weniger als 3,0 Prozent anstatt 7,9 Prozent (Abbildung 1.7 – 3) Lediglich Erwerbstätige mit einem Biologiestudium liegen leicht über 3,0 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei Studiengängen rund um Werbung und Marketing mit Arbeitslosenquoten von 6,6 Prozent (berufsspezifisch) bzw. 3,7 Prozent (studienfachbezogen). Auch in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften wird eine Differenzierung deutlich: Dank der Aufgeschlossenheit gegenüber fachfremden Tätigkeitsfeldern verzeichnen Erwerbspersonen mit einem Abschluss der Sprach- und Literaturwissenschaften eine studienfachspezifische Arbeitslosenquote von nur 3,1 Prozent, in den Politikwissenschaften von 2,8 Prozent. Auch für die Geschichtswissenschaften wird mit 3,7 Prozent die berufsspezifische Berechnung relativiert, die für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften insgesamt 6,2 Prozent ausweist. Einzig bei den Berufen rund um Redaktion und Journalistik ergibt die studienfachspezifische Berechnung der Arbeitslosenquote einen Wert von 4,3 Prozent, der sogar höher ausfällt als die berufsspezifische Sichtweise mit 3,8 Prozent.
Regionale Unterschiede
Da die Arbeitsmarktchancen mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Region in Zusammenhang stehen, fällt die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern auch regional betrachtet unterschiedlich aus. Auch die regionale Verteilung von öffentlichen Institutionen wie Behörden, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen hat dabei einen großen Einfluss.
Sehr niedrige Arbeitslosenquoten gibt es – wie bei der Gesamtarbeitslosigkeit – im Süden Deutschlands (Abbildung 1.7 – 5).
Abbildung 1.7 - 5
In allen Bundesländern sind Akademikerinnen und Akademiker unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen
Arbeitslosenquoten insgesamt und für Akademiker/-innen in Prozent
2024
In den östlichen Ländern ist die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern mit durchschnittlich 3,9 Prozent höher als in Westdeutschland (2,7 Prozent). Auch die Stadtstaaten weisen höhere Arbeitslosenquoten auf. Aber für den Osten Deutschlands und die Stadtstaaten gilt gleichermaßen: Akademische Fachkräfte sind überall weit seltener von Arbeitslosigkeit betroffen als Erwerbspersonen insgesamt. So lag zum Beispiel die Arbeitslosenquote in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt bei 7,9 Prozent, die der Akademikerinnen und Akademiker bei 3,6 Prozent. In Bremen waren es durchschnittlich 11,1 Prozent gegenüber 4,3 Prozent bei Akademikerinnen und Akademikern.
Arbeitslosigkeit kürzer als bei anderen Qualifikationsgruppen
Akademikerinnen und Akademiker sind im Mittel kürzer arbeitslos als Personen mit geringerer formaler Bildung. Im Vordergrund steht hier die Sucharbeitslosigkeit. 63 Prozent der arbeitslosen Akademikerinnen und Akademikern waren 2024 kürzer als ein halbes Jahr arbeitslos (Abbildung 1.7 – 6). Bei Arbeitslosen mit Berufsabschluss lag dieser Anteil erkennbar niedriger (48 Prozent), bei nicht formal Qualifizierten war er nochmals 5 Prozentpunkte kleiner (43 Prozent).
Abbildung 1.7 - 6
Anteil der kurzfristig Arbeitslosen ist bei Akademikerinnen und Akademikern am größten
Durchschnittliche bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit nach Art der beruflichen Qualifikation
Anteile 2024
Langzeitarbeitslosigkeit, also ein Jahr Arbeitslosigkeit und länger, war für 18 Prozent der Akademikerinnen und Akademiker ein Thema. Bei Arbeitslosen, die keinen akademischen Abschluss haben, sind die Anteile Langzeitarbeitsloser deutlich höher (bis hin zu 39 Prozent bei Ungelernten).
Arbeitslosigkeit auch im europäischen Vergleich gering
Auch im europäischen Vergleich fällt die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern in Deutschland unterdurchschnittlich aus (Abbildung 1.7 – 7).
Abbildung 1.7 - 7
Auch in anderen Ländern sind Akademikerinnen und Akademiker seltener arbeitslos als andere Qualifikationsgruppen
ILO-Erwerbslosenquoten insgesamt und Akademiker/-innen (Fachkräfte ISCED Level 5 bis 8) in Prozent
Ausgewählte Staaten, 2023
Die ILO-Erwerbslosenquote von Personen mit tertiärer Ausbildung belief sich 2023 in Deutschland auf 2,2 Prozent.4 Der EU-Durchschnitt lag bei 3,8 Prozent. In Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien wurde mit einem Wert von unter 2 Prozent jeweils eine noch geringere Arbeitslosenquote ausgewiesen (nicht alle abgebildet). Die höchsten Arbeitslosenquoten wurden in Griechenland und Spanien ermittelt.
Innerhalb der EU variiert die Akademiker-Erwerbslosenquote erheblich, da sie stark von der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage des jeweiligen Landes abhängt. Gleichwohl ist in allen EU-Ländern die Erwerbslosenquote von Hochschulabsolventen merklich geringer als die Erwerbslosenquote insgesamt.
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1 Seit dem Jahr 2006 können für Personen mit Fachschul-, Meister- oder Technikerausbildung die Quoten nicht mehr isoliert berechnet werden. Weitergehende Analysen mit ILO-Daten zeigen aber, dass die Erwerbslosenquote für Arbeitskräfte mit diesen Weiterbildungsabschlüssen ähnlich gering oder teilweise sogar geringer ist als die Arbeitslosenquote von Akademikern. Siehe IAB – Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten, 24. Oktober 2016, Nürnberg.
2 Die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten von 1975 bis 2014 beruhen auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Die Berechnungsmethode unterscheidet sich von der der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die ab 2015 verfügbar ist. Die Unterschiede in den Quoten sind aber minimal. Näheres siehe: statistik.arbeitsagentur.de > Grundlagen > Methodenberichte > Arbeitsmarkt
3 Diese sind nur für ausgewählte Studienfachrichtungen verfügbar. Siehe Hinweise zu statistischen Angaben.
4 Quelle: Eurostat, Angaben für 2023.Tertiäre Ausbildung: ISCED-2011-Level 5 bis 8. Alter 15 bis 64 Jahre. Näheres zur ILO-Erwerbslosigkeit siehe statistik.arbeitsagentur.de > Grundlagen > Statistik erklärt > Arbeitsuche, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
Stand: März 2025