Staatsangehörige aus Migrationsländern und Personen im Kontext von Fluchtmigration
Staatsangehörige aus Migrationsländern
In den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist nicht direkt nachweisbar, ob und inwieweit Veränderungen von Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug auf Zuwanderung beruhen. Es können aber hilfsweise Auswertungen für Personen aus solchen Ländern erstellt werden, für die bekannt ist, dass es von dort aktuell umfangreiche Zuwanderung gibt. Die festgestellten Veränderungen in den Statistiken können dann weit überwiegend der Zuwanderung plausibel zugeschrieben werden. Derzeit und in den vergangenen Jahren erfolgte die Zuwanderung aufgrund der Osterweiterung der EU (Arbeitnehmerfreizügigkeit), den Auswirkungen der EU-Schuldenkrise und infolge von Flucht.
Die Osterweiterung der EU wurde in mehreren Etappen vollzogen: Polen, Ungarn, die Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen traten 2004 der EU bei und erlangten die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai 2011. Es folgten am 1. Januar 2007 die Beitritte von Bulgarien und Rumänien und am 1. Juli 2013 der von Kroatien; die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit erhielten diese Länder zum 1. Januar 2014 und zum 1. Juli 2015.
Von der EU-Schuldenkrise sind die sogenannten GIPS-Staaten, also Griechenland, Italien, Portugal und Spanien, am stärksten betroffen.
Am 31. Januar 2020 endete die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Aufenthaltsrechtlich gilt das Vereinigte Königreich ab diesem Zeitpunkt als Drittstaat und wird entsprechend dieser Kategorie zugeordnet. Dabei ist zu beachten, dass Personen, die bis 2020 nicht nur vorübergehend in Deutschland oder einem anderen Land der EU lebten, ihre bisherigen Aufenthaltsrechte behalten.
Weil geflüchtete Menschen bis Mai 2016 in den Arbeitsmarktstatistiken der BA nicht direkt erkannt werden konnten, wurde für die Analyse der Auswirkungen der Fluchtmigration auf den Arbeitsmarkt das Aggregat „Personen mit einer Staatsangehörigkeit aus einem der zugangsstärksten Herkunftsländern von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen“ oder kurz „Asylherkunftsländer“ gebildet. In das Aggregat wurden die nichteuropäischen Länder aufgenommen, die in den Kalenderjahren 2012 bis 2014 und Januar bis April 2015 zu den Ländern mit den meisten Asylanträgen gehörten. Es umfasst folgende acht Länder: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
Darüber hinaus wurden in diesem Zeitraum auch zahlreiche Asylanträge von Staatsangehörigen aus dem Westbalkan (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien) und osteuropäischen Drittstaaten (Russische Föderation, Ukraine, Weißrussland und Republik Moldau) gestellt. Aus diesen Ländern gibt es zwar nach wie vor Zuwanderung mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, sie erfolgt aber nicht vorrangig aus Fluchtgründen. Einerseits werden alle Westbalkanstaaten mittlerweile als sichere Herkunftsländer geführt und erhalten über das Asylverfahren nur noch in Ausnahmefällen Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt. Andererseits hat der Gesetzgeber mit der sogenannten Westbalkanregelung einen befristeten Zugang in den deutschen Arbeitsmarkt geschaffen. Der Balkan und die osteuropäischen Drittstaaten werden deshalb ggf. als Region in den Tabellen ausgewiesen, aber nicht den Asylherkunftsländern zugeordnet. Menschen aus der Ukraine können seit Beginn der militärischen Invasion Russlands Ende Februar 2022 in einem pauschalen Verfahren eine Aufenthaltserlaubnis erhalten (ohne Asylverfahren), damit einhergehend ist auch eine Zugangserlaubnis zum Arbeitsmarkt.
Um Zeitreihenvergleiche zu ermöglichen wird das Aggregat der Asylherkunftsländer nicht verändert, auch wenn sich die Länder-Zusammensetzung aufgrund neuerer Entwicklungen bei den Asylerstanträgen etwas verändern würde.
Die absolute Zahl der Personen mit den aufgelisteten Nationalitäten darf aber nicht mit der unbekannten Zahl der zuletzt Eingewanderten in dem jeweiligen Arbeitsmarktstatus gleichgesetzt werden. Denn in den absoluten Zahlen sind auch Personen enthalten, die schon lange in Deutschland leben. Entscheidend sind die Veränderungen in den Zeitreihen, die plausibel im Zusammenhang mit der aktuellen Migration gesehen werden können. Die Abgrenzung von Ausländern aus Zuwanderungsländern und aus sonstigen Ländern ist naturgemäß nur eine Näherung, weil einerseits Ausländer aus Zuwanderungsländern schon lange im Lande leben können und andererseits Ausländer aus sonstigen Ländern vor kurzem neu zugewandert sein können.
Personen und Bedarfsgemeinschaften im Kontext von Fluchtmigration
Als Personen im Kontext von Fluchtmigration – oder kurz Geflüchtete bzw. Flüchtlinge – werden in den Statistiken der BA Asylbewerberinnen bzw. -bewerber, anerkannte Schutzberechtige und geduldete Ausländerinnen und Ausländer zusammengefasst.
Die Abgrenzung dieses Personenkreises erfolgt anhand ihres aufenthaltsrechtlichen Status.
„Personen im Kontext von Fluchtmigration“ umfassen demnach drittstaatsangehörige Ausländerinnen und Ausländer mit
- einer Aufenthaltserlaubnis Flucht,
- einer Aufenthaltsgestattung oder
- einer Duldung.
Die Berichterstattung in der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Grundsicherungsstatistik SGB II) im Kontext von Fluchtmigration beginnt mit dem Berichtsmonat Juni 2016.
In der Grundsicherungsstatistik SGB II ist neben der Personenebene auch die Ebene der Bedarfsgemeinschaften (BG) von Bedeutung. Wenn in einer Bedarfsgemeinschaft mindestens eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte oder ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (ELB) im Kontext von Fluchtmigration lebt, dann handelt es sich um eine „Bedarfsgemeinschaft im Kontext von Fluchtmigration“.
Für ukrainische Staatsangehörige waren die aufenthaltsrechtlichen Informationen zum Fluchthintergrund stark untererfasst. Deshalb werden die Gesamtzahl der „Personen im Kontext Fluchtmigration“ sowie alle statistischen Größen zum „Aufenthaltsstatus“ für die Berichtsmonate März 2022 bis März 2024 nur unter Ausschluss von ukrainischen Staatsangehörigen ausgewiesen. Für Bedarfsgemeinschaften im Kontext von Fluchtmigration bedeutet das darüber hinaus, dass darin keine ukrainischen Regelleistungsberechtigten leben dürfen.
Die Berichterstattung über Personen im Kontext von Fluchtmigration ergänzt die Berichterstattung über Staatsangehörige aus den wichtigsten Asylherkunftsländern, ersetzt diese aber nicht.
Abgrenzungen im Sinne der Statistik der BA entsprechen nicht notwendigerweise anderen Definitionen von „Flüchtlingen“, wie beispielsweise im juristischen Sinne. Weitere Erläuterungen beinhaltet die Hintergrundinformation „Geflüchtete Menschen in den Arbeitsmarktstatistiken – Erste Ergebnisse (PDF, 239KB)“ vom Juni 2016.
Methodische Einschränkungen
Insbesondere bei Staatsangehörigen aus den Ländern des Balkan (vor allem Serbien und Kosovo) sind Zeitreihenvergleiche wegen Staatsneugründungen und Umstellungen in der Erfassungsmethode eingeschränkt.
Je länger die Daten in der Vergangenheit liegen, desto stärker sind die Verzerrungen. Am aktuellen Rand ist der Effekt gering. Die Erfassungspraxis der Staatsangehörigkeit in den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern kann abweichen vom Vorgehen bei den Erfassungen in anderen Statistiken, wie beispielsweise der Einwohnerstatistik.
Unterschiede können auch bei minderjährigen Kindern mit doppelter Staatsbürgerschaft oder bei Personen aus Gebieten, deren Staatsangehörigkeit nur schwer zu ermitteln ist, auftreten. Dieses Zuordnungsproblem betrifft z. B. die Staaten des Nahen Ostens, die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens und der ehemaligen Sowjetunion.
Bei der Interpretation, insbesondere bei den Zeitreihen und Vorjahresvergleichen, müssen diese Unterschiede berücksichtigt werden.
Aufenthaltserlaubnis
Die Aufenthaltserlaubnis ist ein Aufenthaltstitel, der befristet zu den im Aufenthaltsgesetz genannten Zwecken erteilt wird. Diese sind zum Beispiel:
- Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung (§§ 16-17 Aufenthaltsgesetz),
- Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit (§§ 18a, 18b, 18d, 18f, 19c, 19d, 20a, 20b, 20c, 21 Aufenthaltsgesetz),
- Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (§§ 22-26 Aufenthaltsgesetz),
- Aufenthalt aus familiären Gründen (§§ 27-36 Aufenthaltsgesetz).
Anerkannte Asylbewerberinnen und -bewerber, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen positiven Bescheid erhalten haben, dürfen grundsätzlich uneingeschränkt als Beschäftigte arbeiten und auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB II.
In der statistischen Berichterstattung der BA relevant ist die Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Personen mit diesem Aufenthaltstitel zählen zu den „Personen im Kontext von Fluchtmigration“.
Aufenthaltsgestattung
Die Aufenthaltsgestattung berechtigt Ausländer zum Aufenthalt im Bundesgebiet während der Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 Asylgesetz).
Ein Ausländer, der die Aufenthaltsgestattung besitzt, hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In den ersten drei bis sechs Monaten nach Äußerung des Asylgesuchs besteht ein Beschäftigungsverbot. Das gilt über diesen Zeitraum hinaus für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten. Während der Durchführung des Asylverfahrens erhalten Asylbewerber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Weil es beim Wechsel des Aufenthaltsstatus zu Zeitverzögerung in der Erfassung kommt, finden sich in geringem Umfang auch Asylbewerber im Rechtskreis SGB II bei Jobcentern.
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung zählen in der statistischen Berichterstattung der BA zu den „Personen im Kontext von Fluchtmigration“.
In der statistischen Berichterstattung der BA werden Ausländer, die noch keinen formalen Antrag gestellt, bereits aber ein Asylgesuch geäußert haben, mit zur Aufenthaltsgestattung gezählt.
Duldung
Eine Duldung ist die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (§ 60a Aufenthaltsgesetz). Die Abschiebung kann ausgesetzt werden, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Ein Ausländer, der die Duldung besitzt, hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In den ersten drei bis sechs Monaten nach Ausstellung der Bescheinigung über die Duldung besteht ein Beschäftigungsverbot. Das gilt über diesen Zeitraum hinaus für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten. Personen mit einer Duldung haben Anspruch auf Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Personen mit einer Duldung zählen in der statistischen Berichterstattung der BA zu den „Personen im Kontext von Fluchtmigration“.
Drittstaatsangehörige, sichere Drittstaaten und sichere Herkunftsstaaten
Drittstaatsangehörige sind Personen, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftraums (EU zzgl. Island, Liechtenstein, Norwegen) oder der Schweiz sind. Britische Staatsangehörige zählen seit den Veröffentlichungen Januar 2021 zu Drittstaatsangehörigen. Zudem werden die „Staatenlosen“ zu den Drittstaatsangehörigen gezählt.
Personen, die über sichere Drittstaaten eingereist sind, können sich nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz i. V. mit § 26a Abs. 1 Asylgesetz in der Regel nicht auf das Asylrecht nach Art. 16a Grundgesetz berufen, da in diesen Ländern die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention sichergestellt ist (Anlage I AsylG).
Asylanträge von Staatsangehörigen sicherer Herkunftsstaaten nach Art. 16a Abs. 3 Grundgesetz i. V. mit § 29a Abs. 1 Asylgesetz werden in der Regel abgelehnt, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen, da vermutet wird, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird. Hierzu gehören die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und nach Anlage II AsylG Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.
Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer starken Fluchtbewegung nach Europa geführt.
Auch in Deutschland haben Ukrainerinnen und Ukrainer Zuflucht gefunden. Ende Januar 2023 lebten laut dem Ausländerzentralregister (AZR) rund 1.180.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, 1.024.000 mehr als Ende Februar 2022 (dem Monat, in dem der russische Angriffskrieg begann).
Geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer haben mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz Zugang zum Arbeitsmarkt und können seit 1. Juni 2022 Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erhalten. Davor erhielten sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn Geflüchtete Grundsicherungsleistungen beziehen, sind für ihre Betreuung die Jobcenter zuständig, in anderen Fällen die Arbeitsagenturen.
Für den Wechsel aus dem Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes in das SGB II galt für die Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung und die zugelassenen kommunalen Träger ab 1. Juni 2022 eine dreimonatige Übergangsfrist. Erste nennenswerte Einflüsse der ukrainischen Fluchtmigration auf den Arbeitsmarkt waren schon im Mai 2022 zu beobachten.
Erheblich stärkere Effekte gab es im Juni und Juli 2022, weil seit 1. Juni geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer bei Hilfebedürftigkeit Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben.
Auch in den darauffolgenden Monaten gab es merkliche Anstiege. Die Statistik zu Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende belegt die aktuellen Entwicklungen beim Bestand von ukrainischen RLB, ELB und NEF sowie BG mit mindestens einem RLB ukrainischer Staatsangehörigkeit.
Hintergrundinformation über die Datenquellen, anhand derer die quantitativen Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den Arbeitsmarkt und die Grundsicherung abgebildet werden können, beinhalten die Ausführungen über die Berichterstattung zu den Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Weiterführende Berichte
Die Statistik zu „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ wird monatlich aktualisiert und berichtet regional für Deutschland und die Bundesländer über erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) insgesamt und im Kontext von Fluchtmigration nach ausgewählten Merkmalen in der Tabelle 9.
Auf Ebene der Kreise und kreisfeien Städten wird der Bestand an erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ELB) im Kontext von Fluchtmigration ohne Differenzierung auf einzelne Merkmale in der Tabelle 10 abgebildet.