Berufsspezifische Arbeitslosenquoten
Berechnung von berufsspezifischen Arbeitslosenquoten
Die berufsspezifischen Arbeitslosenquoten werden auf Basis des amtlichen Berechnungskonzepts nach folgender Methodik erstellt: Die registrierten Arbeitslosen werden zu den Erwerbspersonen in Beziehung gesetzt, die als Summe von Erwerbstätigen und Arbeitslosen jährlich als feste Bezugsgröße für die Berechnung der nächsten 12 Monate ermittelt werden. Dies geschieht üblicherweise im Berichtsmonat Mai, Rückrechnungen werden nicht vorgenommen. Für die Teilgröße der Erwerbstätigen steht keine einheitliche Datenquelle in der notwendigen regionalen und soziodemografischen Differenzierung zur Verfügung. Deshalb wird eine synthetische Erwerbstätigenzahl aus verschiedenen Statistiken gebildet, deren Ergebnisse zwar erst nach einer gewissen Zeitverzögerung, dann aber gesichert und regional tief gegliedert vorliegen. Folglich ist die Bezugsgröße etwa ein Jahr älter als die Arbeitslosenzahl im Zähler; Daten der Bezugsgröße für 2022 stammen also überwiegend aus dem Jahr 2021 und z. T. auch aus dem Jahr 2019. Dieser Umstand kann in gewissem Maße zu Verzerrungen führen, wenn sich beispielsweise die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen relativ kurzfristig stark ändern und sich etwa die Arbeitslosenzahl im aktuellen Berichtsjahr deutlich erhöht, aber sich die Bezugsgröße auf ältere Zeiträume bezieht, in dem das wirtschaftliche Umfeld noch ganz anders war. Genau das ist in den Jahren 2020 und 2021 im Rahmen der Corona-Krise passiert. Die Arbeitslosenquoten können dadurch verzerrt sein. Das kann insbesondere Tätigkeiten betreffen, die besonders stark von den Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betroffen sind. Auch die Erwerbstätigkenstruktur kann dabei eine Rolle spielen, wie etwa der Anteil an Selbständigen.
Es ist zu beachten, dass die offiziellen Arbeitslosenquoten in den Eckzahlen leicht abweichen können. Für die berufsspezifischen Arbeitslosenquoten werden die Endergebnisse aus dem Mikrozensus verwendet, die in der Regel eine etwas höhere Datenqualität mit mehr Fallzahlen und ausgewiesenen Tätigkeiten haben. Aus Gründen der zeitlichen Verfügbarkeit müssen sonst die Erstergebnisse verwendet werden. Außerdem wird der gesamte Bereich des Militärs bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten nicht berücksichtigt. Im Jahr 2022 kommt erschwerend hinzu, dass für die offizielle Arbeitslosenquote bzw. die Bezugsgröße eine abweichende regionale Hochrechnung verwendet werden musste, da keine Daten zu Selbständigen nach Bundesländern vorliegen.
Für die wichtigsten Komponenten der Bezugsgröße liegen berufliche Angaben auf Grundlage der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) vor. Dort wo es Lücken in oder Abweichungen zwischen den verwendeten Datenquellen gibt werden Schätz- und Korrekturverfahren eingesetzt. In der nachfolgenden Übersicht wird das Berechnungskonzept im Überblick dargestellt.
Berufsspezifische Arbeitslosenquoten werden als Jahreswerte ab 2017 für Deutschland und Länder bis auf die Gliederungsebene der Berufsgruppen kombiniert mit dem Anforderungsniveau berechnet. Weil Berufsangaben für Selbständige (sowie ihre Mithelfenden Familienangehörigen) und für Beamte nur bis auf Länderebene vorliegen, werden berufsspezifische Arbeitslosenquoten für Kreise und Arbeitsagentur- bzw. Jobcenterbezirke nicht berechnet. Der Einsatz von Schätz- und Korrekturverfahren bedingt notwendigerweise ein gewisses Maß an Unsicherheit bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten. Geringe Unterschiede zwischen den Quoten sollten nicht überbewertet werden. Um aussagekräftige Arbeitslosenquoten zu erhalten, werden berufsspezifische Arbeitslosenquoten zudem nur dann erstellt, wenn die Bezugsgröße eine Mindestfallzahl an Erwerbspersonen aufweist.
Mit der Berechnung der Arbeitslosenquote für 2022 wurde die Mindestfallzahl von 1.000 auf 10.000 erhöht. Grund für die Erhöhung der Mindestfallzahl war eine geänderte Bereitstellung von Angaben aus dem Mikrozensus zu Selbständigen und Beamten. Danach stehen Jahresergebnisse, bei denen Werte von unter 71 Personen in der Stichprobe zugunde liegen, wegen ihres hohen Stichprobenfehlers und des damit verbundenen geringen Aussagewerts nicht mehr zur Verfügung. Bei einer 1%-Stichprobe entsprechen 70 Personen einer proportional hochgerechneten Zahl von 7.000 Selbständigen bzw. Beamten, die im ungünstigsten Fall in der Bezugsgröße fehlen. Die dadurch bedingte Verzerrung der Arbeitslosenquote nimmt mit der Größe der Bezugsgröße ab. In Abwägung zwischen Fehlerminimierung und Berichtsumfang wurde die Mindestfallzahl für die Bezugsgröße auf 10.000 erhöht. Entsprechend können ab Berichtsjahr 2022 weniger berufsspezifische Arbeitslosenquoten ausgewiesen werden als in den Jahren zuvor.
Die berufsspezifischen Arbeitslosenquoten des Berichtsjahres 2022 sind zudem nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar, weil (a) der Mikrozensus methodisch neugestaltet wurde und (b) frühere Bezugsgrößen auch Angaben zu erwerbstätigen Selbständigen und Beamten unterhalb der o.g. Grenzen berücksichtigen. Auch künftig sind Verzerrungen (1) im Zeitvergleich möglich, wenn sich die Anzahl der Selbständigen/Beamten in der Stichprobe an der Grenze von 71 verändert und sich dann sprunghaft die Zahl der Selbständigen/Beamten auf Null verringert oder auf über 7.000 erhöht. Außerdem können (2) Vergleiche zwischen Berufen und Regionen verzerrt sein, wenn Selbständige und Beamte in einem Beruf bzw. einer Region wegen zu geringer Fallzahlen nicht, im Vergleichsberuf oder der Vergleichsregion aber schon berücksichtigt werden können. Für eine bessere Einordnung wird deshalb auf dem Arbeitsblatt "Anteil Selbständige bzw. Beamte" der Anteil der Selbständigen bzw. der Beamten jeweils an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen (für Deutschland) ausgewiesen.
Für das Berichtsjahr 2022 werden einmalig keine Ergebnisse für Bundesländer ausgewiesen, weil aufgrund der Neugestaltung des Mikrozensus in diesem Jahr die gewohnte fachliche und regionale Auswertungstiefe nicht erreichbar war. Stattdessen werden neben Deutschland, West- und Ostdeutschland vier Großregionen (Nord, West, Ost, Süd) angeboten. Diese setzen sich wie folgt zusammen:
- Nord = Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern
- West = Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland
- Ost = Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
- Süd = Baden-Württemberg und Bayern
Zur Interpretation von berufsspezifischen Arbeitslosenquoten
Der Arbeitsmarkt kann in eine Vielzahl von beruflichen Teilarbeitsmärkten zerlegt werden. Für diese Teilarbeitsmärkte werden berufsspezifische Arbeitslosenquoten berechnet, mit denen Aussagen zum einen über die Auslastung des Arbeitskräfteangebots und zum anderen über das Arbeitslosigkeitsrisiko von Erwerbspersonen mit bestimmten Berufen gemacht werden können. Grundlage für die Berechnung der Quoten ist die bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registrierte Arbeitslosigkeit. Dort werden Arbeitslose mit dem Beruf erfasst, den sie für eine Erwerbstätigkeit anstreben (Zielberuf), während Erwerbstätige unter dem Beruf geführt werden, den sie tatsächlich ausüben. Die Festlegung des ersten Zielberufs von Arbeitslosen erfolgt nach der Qualifikation bzw. Eignung, den Präferenzen und den Einmündungschancen von Arbeitslosen in den ausgewählten Berufen. Der Vermittlungsprozess ist aber weiter ausgelegt und kann in die Arbeitssuche mit dem Zielberuf ähnliche Berufe und weitere Alternativberufe einbeziehen. Entsprechend ist die Arbeitslosigkeit in den (Ziel-)Berufen als eine Momentaufnahme im Ausgleichprozess von Arbeitsangebot und -nachfrage zu verstehen, weil der Zielberuf keine feste persönliche Eigenschaft des Arbeitslosen, sondern eine Variable ist, die im Suchprozess verändert werden kann.
Dabei sind die beruflichen Teilarbeitsmärkte unterschiedlich durchlässig. Je nach Fachrichtung ermöglichen Ausbildungsberufe den Zugang zu einem breiten Spektrum von Erwerbsberufen. Mobilitätsanalysen zeigen, dass Arbeitslose in beträchtlichem Umfang Beschäftigungsverhältnisse aufnehmen, die nicht mit ihrem Zielberuf übereinstimmen. Bei der Interpretation der Arbeitslosenquoten für Berufe sind diese Mobilitätsspielräume zu berücksichtigen. Eine berufsspezifische Arbeitslosenquote ist entsprechend als Knappheitsmaß für ein bestimmtes arbeitsplatzbezogenes berufliches Tätigkeitsbündel zu sehen. Eine hohe berufsspezifische Arbeitslosenquote bedeutet zwar ein hohes Risiko für Personen mit diesem Zielberuf, dass sie in dieser beruflichen Tätigkeit nicht zum Zuge kommen. Berücksichtigt man aber die Spielräume beruflicher Mobilität, kann das Arbeitslosigkeitsrisiko für diese Personen deutlich kleiner ausfallen. Insbesondere ist die Arbeitslosenquote für eine Berufsgruppe keine Arbeitslosenquote für die Ausbildungsberufe bzw. die Studienrichtungen, die dieser Berufsgruppe zugeordnet sind bzw. der Berufsgruppe den Namen geben.
Aus der Angebots-Perspektive sollte die Bewertung des Arbeitsmarktes von Arbeitslosen mit einem bestimmten Zielberuf insbesondere folgende Indikatoren berücksichtigen:
- Die berufsspezifische Arbeitslosenquote, als Maß für das Arbeitslosigkeitsrisiko von Personen, die ein solches spezifisches Tätigkeitsbündel ausüben wollen,
- die berufsspezifische Abgangsrate in Beschäftigung (am ersten Arbeitsmarkt) von Personen mit einem solchen Zielberuf, als Maß für die Chancen dieser Arbeitslosen, eine Beschäftigung (egal in welchem Beruf) zu finden, und
- die berufsspezifische Mobilitätsquote bzw. den Anteil der Arbeitslosen mit diesem Zielberuf, die bei der Beschäftigungsaufnahme in eine andere Berufsgruppe bzw. ein anderes Anforderungsniveau wechseln, als Maß für die berufsfachliche Mobilität von Arbeitslosen.
Erst wenn diese (und ggf. weitere) Indikatoren herangezogen werden, kann ein zutreffendes Bild der Arbeitsmarktlage von Arbeitslosen mit bestimmen Berufen gezeichnet werden. Nachfolgend wird ein Interpretationsschema skizziert, mit dem die o. g. Indikatoren im Zusammenhang betrachtet werden können.
Entlang der Ausprägungen geringe/hohe Arbeitslosenquote und geringe/hohe Abgangsrate in Beschäftigung werden die vier Typen „Geringe Arbeitslosigkeit, hohe Dynamik“, „Hohe Arbeitslosigkeit, hohe Dynamik“, „Hohe Arbeitslosigkeit, geringe Dynamik“ und „Geringe Arbeitslosigkeit, geringe Dynamik“ gebildet, die den Raum aufspannen, in dem die Berufsgruppen eingeordnet werden können. Jeder der Haupttypen kann weiter unterschieden werden nach dem Ausmaß der beruflichen Mobilität bei der Beschäftigungsaufnahme. Orientierungspunkte bilden die jeweiligen Durchschnittswerte. In der nachfolgenden Übersicht wird jeweils eine Berufsgruppe aus dem Bereich der Fachkräfte, Spezialisten und Experten als Beispiel für den jeweiligen Typ benannt. Die Berufsgruppen können in diesem Raum verortet werden, die Übergänge sind aber fließend, so dass nicht alle Berufsgruppen eindeutig einem Typ zugeordnet werden können.
Vergleiche hierzu die Methodenberichte der Statistik der BA „Einführung berufsspezifischer Arbeitslosenquoten auf Basis des amtlichen Berechnungskonzepts“, Nürnberg, Februar 2019 (PDF, 807KB) und „Berufliche Mobilität von Arbeitslosen bei der Beschäftigungsaufnahme“, Nürnberg, Februar 2019 (PDF, 789KB).