1.1 Der Arbeitsmarkt 2022
PDF-Datei (PDF, 144KB)
Das reale Bruttoinlandsprodukt ist nach aktuellen Schätzungen der Deutschen Bundesbank im Jahr 2022 um 1,8 Prozent gewachsen, nach einem Plus von 2,6 Prozent im Jahr 2021. Die für 2022 erwartete wirtschaftliche Erholung nach der Aufhebung pandemiebedingter Einschränkungen wurde durch die ökonomischen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gebremst. Trotz dieser ungünstigen Entwicklungen zeigte sich der Arbeitsmarkt insgesamt stabil, auch wenn Auswirkungen der angespannten wirtschaftlichen Lage erkennbar sind. So sind Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) im Jahresdurchschnitt zwar deutlich gesunken, im Jahresverlauf aber wegen der Erfassung ukrainischer Geflüchteter merklich gestiegen. Ohne die ukrainischen Staatsangehörigen hätte es auch im Jahresverlauf Rückgänge gegeben, allerdings mit moderaten saisonbereinigten Zuwächsen in der zweiten Jahreshälfte. Gleichzeitig haben sich Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahreswerten wie im Jahresverlauf deutlich erhöht. Dabei hat die Zahl der Kurzarbeiter jahresdurchschnittlich stark abgenommen, auch wenn in der zweiten Jahreshälfte infolge der Energiekrise wieder Anstiege zu verzeichnen waren.
Im Juni 2022 waren 34,45 Millionen Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 1,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag damit um 1,04 Millionen oder 3,1 Prozent über dem Wert aus dem entsprechenden Vor-Corona-Monat Juni 2019. Der Arbeitsmarkt wurde auch 2022 durch den Einsatz von Kurzarbeit gestützt, die Inanspruchnahme hat aber im Vergleich zu den von der Corona-Krise stark beeinträchtigten Jahren 2020 und 2021 deutlich abgenommen. Die jahresdurchschnittliche Kurzarbeiterzahl belief sich 2022 auf rund 430.000, nach 1,85 Millionen im Jahr 2021. Die gemeldete Nachfrage nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewegte sich 2022 trotz großer wirtschaftlicher und politischer Unwägbarkeiten infolge des Ukraine-Krieges auf einem sehr hohen Niveau. In der zweiten Jahreshälfte wurde sie aber spürbar schwächer. Mit 845.000 gemeldeten Arbeitsstellen im Jahresdurchschnitt 2022 lag die Arbeitskräftenachfrage um 139.000 höher als im Jahr 2021. Gleichzeitig waren 2,4 Millionen Arbeitslose gemeldet, 195.000 weniger als im Vorjahr. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote betrug 2022 5,3 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr nahm sie um 0,4 Prozentpunkte ab. Die Unterbeschäftigung, die auch vorübergehend arbeitsunfähige Personen und Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beinhaltet, war auf 3.19 Millionen zu beziffern, 181.000 weniger als 2021.
Stand: Juli 2023
1.2 Der Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker
PDF-Datei (PDF, 146KB)
Der Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker hat sich 2022 besser als der Arbeitsmarkt insgesamt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholt. Ukrainekrise, Energiekrise und gestiegene Inflation wirkten sich auf den Akademikerarbeitsmarkt allenfalls moderat aus.
Der kontinuierliche Beschäftigungsaufbau der letzten Jahre hat sich auch während der Krisenjahre seit 2020 fortgesetzt. Das Wachstum fiel allerdings geringer aus als in den Jahren vor der Coronakrise. 2022 nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss um 258.000 auf 6,7 Millionen zu (+4 Prozent).1Vor allem Informatikberufe und wirtschaftswissenschaftliche Berufe haben zum Beschäftigungsplus beigetragen. Auch Werbung, Marketing und Mediengestaltung sowie die Psychologie weisen überdurchschnittliche Zuwächse auf.
Gleichzeitig gingen im Jahresverlauf 2022 17 Prozent mehr Meldungen von Stellenangeboten mit hochkomplexen Anforderungen ein als im Vorjahreszeitraum. Die gemeldete Nachfrage nach Expertinnen und Experten erreichte damit ein neues Allzeithoch. Der durchschnittliche Stellenbestand stieg um 18.000 auf 78.000. In vielen akademisch geprägten Berufen traten laut Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit Engpässe bei der Stellenbesetzung auf.
Nachdem die Arbeitslosenzahl von Personen mit akademischem Abschluss im ersten Pandemiejahr 2020 kräftig um 51.000 auf 238.000 angestiegen war, ging sie 2021 und 2022 bis auf 205.000 zurück. Die Arbeitslosenquote für Hochqualifizierte sank 2022 im Zuge der wirtschaftlichen Erholung auf 2,2 Prozent.
Die Studierendenzahl befand sich im Wintersemester 2022/23 weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Die Zahl der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger dürfte deshalb in den nächsten Jahren hoch bleiben.
Trotz der bestehenden Unsicherheiten dürfte der Arbeitsmarkt jungen Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Allgemeinen gute Chancen auf einen erfolgreichen Start ins Erwerbsleben bieten. Allerdings verläuft der Berufseinstieg auch bei guter Marktlage nicht immer problemlos. Schwierigkeiten bereitet häufig, dass Arbeitgeber Berufserfahrung erwarten. Vor allem in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, in Medienberufen oder in den Naturwissenschaften sind außerdem nur wenig einschlägige Stellen zu besetzen. Nach einer gewissen Suchphase gelingt der Einstieg ins Erwerbsleben aber in der Regel auch hier, wenngleich die Beschäftigung nicht immer studienadäquat erfolgt.
_________
1 In den Angaben zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Fach- und Hochschulabschluss sind geschätzte Angaben für Personen einbezogen, für die keine Angaben zum Berufsabschluss vorliegen. Das gleiche gilt für die Berechnung der Anteile.
Stand: Juli 2023
1.3 Erwerbstätigkeit
PDF-Datei (PDF, 182KB)
Fast ein Viertel der Erwerbstätigen hat einen akademischen Abschluss
Gut 10 Millionen Erwerbstätige verfügten nach letzten Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 über einen akademischen Abschluss.1 Damit hatte fast jede/-r vierte Erwerbstätige an einer Universität, Fachhochschule oder einer Berufsakademie studiert (24 Prozent). Die Zahl erwerbstätiger Akademikerinnen und Akademiker ist in den letzten Jahren kräftig gewachsen: seit 2012 um rund 2,6 Millionen oder ein Drittel (Abbildung 1.3 – 1). Der Akademikeranteil kletterte in diesem Zeitraum um 5 Prozentpunkte. Dies spiegelt den fortschreitenden Strukturwandel hin zu einer wissensgeprägten Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft wider.
Der Großteil der erwerbstätigen Akademikerinnen und Akademiker (73 Prozent) übt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus (vgl. Kapitel 1.5). Außerdem sind in akademischen Berufen Selbständigkeit (12 Prozent) und Beamtenstatus (14 Prozent) von Bedeutung.
Abbildung 1.3 - 1
Zahl der Erwerbstätigen mit akademischen Abschlüssen auf über 10 Millionen gestiegen
Erwerbstätige mit (Fach-)Hochschulabschluss in Millionen
Unterschiedliche Erwerbsformen in akademischen Berufen
Die Tätigkeitsfelder Wirtschaftswissenschaften, Lehrtätigkeiten, Ingenieurwesen, Informatik sowie Medizin und Pharmazie bilden die größten akademischen Berufsgruppen (Abbildung 1.3 – 2). Fast 60 Prozent der Akademikerinnen und Akademiker gehören einer dieser Berufsgruppen an.
Abbildung 1.3 - 2
Wirtschaft, Lehre, Ingenieurwesen, Informatik und Medizin sind die großen Tätigkeitsfelder für Akademikerinnen und Akademiker
Erwerbstätige Experten/-innen nach ausgeübten Berufen
2022
In vielen Berufsgruppen dominiert das Angestelltenverhältnis. Besonders groß ist der Anteil der Angestellten bei den Berufen Ingenieur/-in, Sozialpädagoge/-in, Informatiker/-in und Naturwissenschaftler/-in. Aber auch in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Berufen, in der Pharmazie, in den Wirtschaftswissenschaften oder im Bauingenieurwesen wird häufig im Angestelltenverhältnis gearbeitet (Abbildung 1.3 – 3).
Selbständigkeit und Verbeamtungen kommt eine sehr unterschiedliche Bedeutung zu – eine Tatsache, die unter Umständen schon bei der Wahl des Studienfachs berücksichtigt werden kann.
Unter den in Psychologie, Rechtswissenschaften, Medizin, Architektur, Mediengestaltung oder Publizistik Erwerbstätigen ist der Anteil Selbständiger überdurchschnittlich hoch.
Abbildung 1.3 - 3
Das Angestelltenverhältnis dominiert in vielen Berufsgruppen
Anteile der Erwerbsformen an der jeweiligen Berufsgruppierung (jeweils Experten/-innen)
2022
Verbeamtungen gibt es in großen Umfang nur in Verwaltungsberufen, in Archiven und Bibliotheken sowie in den Bildungsberufen, namentlich bei den Lehrämtern. Nennenswert sind darüber hinaus Juristinnen und Juristen, die beispielsweise im Richteramt oder in der Staatsanwaltschaft tätig sind oder eine Stelle als Referentin oder Referent in Behörden oder Ministerien bekleiden.
Unter Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ist der Beamtenanteil mit 2 Prozent zwar verschwindend gering. Aufgrund der Größe dieser Berufsgruppe ist die absolute Anzahl von 37.000 Beamtinnen und Beamten dennoch erwähnenswert.
_________
1 Quelle: Statistisches Bundesamt, vorläufige Erstergebnisse des Mikrozensus. Der Mikrozensus wurde 2020 methodisch neugestaltet. Die Ergebnisse ab dem Berichtsjahr 2020 sind deshalb nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar.
Stand: Juli 2023
1.4 Demografisch bedingter Ersatzbedarf
PDF-Datei (PDF, 167KB)
Die Zahl der Erwerbstätigen, die heute 55 Jahre oder älter sind, bietet einen Anhaltspunkt dafür, wie viele Personen in den nächsten gut zehn Jahren in den Ruhestand eintreten werden. Knapp jeder vierte Erwerbstätige mit akademischem Abschluss war 2022 mindestens 55 Jahre alt. Insgesamt waren das rund 2,3 Millionen Erwerbstätige. Stellt man das Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit in den Vordergrund und vernachlässigt den formalen Abschluss, kommt man auf 2,2 Millionen Ältere und einen Anteil von 25 Prozent an allen Erwerbstätigen mit hochkomplexem Aufgabenprofil. Gleichgültig, welche Betrachtung man zugrunde legt, der Anteil der älteren Akademikerinnen und Akademiker ist in den letzten Jahren gestiegen und dürfte in nächster Zeit weiter zunehmen. Dies liegt im Großen und Ganzen daran, dass die geburtenstarken Jahrgänge das entsprechende Alter erreichen und außerdem Erwerbstätige länger im Berufsleben bleiben.
Der demografisch bedingte Ersatzbedarf fällt in den Berufsgruppen unterschiedlich aus (Abbildung 1.4 – 1). Rund 160.000 Medizinerinnen und Mediziner sowie 129.000 Bauingenieurinnen und Bauingenieure könnten altersbedingt in den nächsten Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Das entspricht – ebenso wie in der Psychologie – knapp einem Drittel in der jeweiligen Berufsgruppe. Da bereits ein Fachkräftemangel in diesen Berufen beklagt wird, erscheint diese Entwicklung als große Herausforderung. Auch in der Öffentlichen Verwaltung oder den Rechtswissenschaften ist der Anteil Älterer sehr hoch; allerdings ist die absolute Zahl der Ruhestandseintritte merklich kleiner als bei den erstgenannten großen Berufsgruppen. Anteilig sehr wenig ältere Erwerbstätige finden sich dagegen in Mediengestaltung, Werbung und Marketing sowie in MINT-Berufen, was nicht zuletzt auf die stark gestiegenen Absolventenzahlen der letzten Jahre zurückzuführen sein dürfte.
Ein hoher Anteil älterer Erwerbstätiger muss allerdings nicht automatisch zu einer Mangelsituation führen. Entscheidender dürfte vielmehr die absolute Anzahl im Vergleich zur künftigen Zahl der Absolventinnen und Absolventen sein. Darüber hinaus gibt es viele Einflussfaktoren, deren Auswirkungen heute noch gar nicht absehbar sind. So spielen der Strukturwandel der Wirtschaft, die Digitalisierung, neue Technologien, politische Rahmensetzungen, weltpolitische und weltwirtschaftliche Entwicklungen oder Wanderungsbewegungen eine Rolle.
Abbildung 1.4 - 1
Viele Eintritte in den Ruhestand zu erwarten
Erwerbstätige mit mind. 55 Jahren, Anteile an der jeweiligen Berufsgruppierung (jeweils Experten/-innen)
2022
Das Bundesinstitut für Berufsbildung und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommen in einer Berufsfeld-Projektion1, die bis zum Jahr 2040 reicht, zu dem Ergebnis, dass der Arbeitskräftebedarf in akademischen Berufen – auch bei weiter steigendem Bedarf – im Allgemeinen durchaus gedeckt werden dürfte, weil deutlich mehr Hochqualifizierte neu in den Arbeitsmarkt einsteigen als aus Altersgründen aussteigen. Rekrutierungsschwierigkeiten für Betriebe sieht die Forschung zum Beispiel in IT-Berufen sowie in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen. Auch im Baugewerbe und in technischen Berufen scheinen sich die aktuellen Rekrutierungsschwierigkeiten zu verstetigen. Dagegen wird ein gewisser Konkurrenzdruck zum Beispiel in Managementberufen sowie in Berufen in Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung oder Recht und Verwaltung erwartet. Auch in den Sprach-, Literatur- und Geisteswissenschaften kommt man zu dem Ergebnis, dass sich die Rekrutierungsaussichten für Betriebe verbessern könnten.
___________
1 Quelle: BIBB Report 3/2022
Stand: Juli 2023
1.5 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
PDF-Datei (PDF, 222KB)
Trend zur Akademisierung setzt sich fort
Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit weist im Juni 2022 rund 6,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss aus (Abbildung 1.5 – 1).1Gegenüber dem Vorjahr waren das 258.000 mehr. Dies entspricht erneut einem Anstieg von 4 Prozent, nachdem es selbst 2020 und 2021 während der Corona-Pandemie ein Wachstum von 3 bzw. 4 Prozent gegeben hatte. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung insgesamt hatte dagegen 2021 und 2022 lediglich um 2 Prozent zugenommen und war 2020 sogar leicht rückläufig. Damit bestätigt auch die Beschäftigungsstatistik: Der Trend zur Akademisierung setzt sich fort.
Abbildung 1.5 - 1
Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker steigt kontinuierlich an
Sozialversicherungsfpflichtig beschäftigte Akademiker/-innen* in Millionen
jeweils zum Stichtag 30.6.
Im Verlauf der letzten 20 Jahre hat sich die Zahl der beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker mehr als verdoppelt (Abbildung 1.5 – 2).2 Im gleichen Zeitraum stieg die Beschäftigung von Personen mit Berufsabschluss3 um 15 Prozent, die von Beschäftigten ohne formalen Berufsabschluss lag 2022 dagegen nach zwischenzeitlichem starken Rückgang 1 Prozent unter dem Stand von 2002. Obwohl auch Geringqualifizierte abgesehen von der Coronakrise von der guten Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre profitierten, zeigen sich in dieser unterschiedlichen Entwicklung die große Bedeutung formaler Abschlüsse und die damit verbundenen Chancen.
Abbildung 1.5 - 2
Trend der Akademisierung setzt sich fort
Indizierte Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Berufsabschluss*
Jahr 2002 = 100, jeweils zum Stichtag 30.6.
Nicht nur die Zahl der „Köpfe“ mit akademischem Abschluss steigt, sondern auch relativ gesehen gewinnen akademische Qualifikationen an Bedeutung: 2022 verfügten 20 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. 2013 hatte der Anteil noch bei 15 Prozent gelegen.
Digitalisierung lässt Beschäftigung von IT-Expertinnen und -experten weiter stark wachsen
Die Corona-Pandemie hat den Prozess der Digitalisierung verstärkt. So zeigt sich in IT-Berufen 2022 erneut ein großes relatives Beschäftigungswachstum. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze für hochqualifizierte IT-Fachkräfte hat gegenüber dem Vorjahr um gut 36.000 oder 9 Prozent zugelegt (Abbildung 1.5 – 3). Relativ betrachtet gab es ebenfalls hohe Beschäftigungsgewinne in Mediengestaltung, Werbung, Marketing und in der Psychologie. Darüber hinaus verzeichneten auch die Wirtschaftswissenschaften, die Geistes-, Gesellschaftswissenschaften und Publizistik, Bau- und Architekturberufe und Lehrkräfte einen beachtlichen Beschäftigungsaufbau.
In absoluten Zahlen gab es die höchsten Zuwächse an Arbeitsplätzen in Wirtschaftsberufen (+58.800). Neben der Informatik waren hohe Zugewinne auch bei Lehrkräften (+21.000) und im Technischen Ingenieurwesen (+12.800) auszumachen.
Abbildung 1.5 - 3
Größtes Wachstum in IT-Berufen sowie in Mediengestaltung und Psychologie
Bestand sozialversicherungspflichtig beschäftigter Experten/-innen
30.6.2022 im Vergleich zum Vorjahr
Frauenanteil gestiegen, aber große Unterschiede zwischen den Berufen
Rund 47 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die 2022 über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss verfügten, waren Frauen. Damit war der Frauenanteil unter Akademikern leicht höher als bei allen Beschäftigten (46 Prozent). Wird aber nur die Gruppe der Beschäftigten betrachtet, die einer hochqualifizierten Tätigkeit4 nachgingen, waren Frauen mit einem Anteil von 41 Prozent erkennbar unterrepräsentiert. Auffällig sind die großen Unterschiede zwischen den Berufen (Abbildung 1.5 - 4): In der Psychologie oder in sozialen Berufen sind Frauen deutlich in der Mehrzahl, während im technischen Ingenieurwesen unter 100 Personen nur 14 Frauen zu finden sind. Mehr Frauen als Männer gibt es auch unter den Angestellten in geistes-, gesellschaftswissenschaftlichen und publizistischen Berufen, in Medizin und Pharmazie sowie in Verwaltungs-, Lehr- und Rechtsberufen.
Abbildung 1.5 - 4
Frauenanteil in den Berufsgruppen sehr unterschiedlich
Frauenanteil bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten Experten/-innen insgesamt sowie an der jeweiligen Berufsgruppierung in Prozent
30.6.2022
Weiter zunehmende Präsenz von Frauen
In den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil unter den akademischen Beschäftigten kräftig gestiegen. 2013 hatte er mit 43 Prozent noch 4 Prozentpunkte unter dem heutigen Anteil gelegen. Auf die zukünftige Entwicklung kann man schließen, wenn die Unterschiede zwischen jüngeren Menschen und der Gesamtgruppe untersucht werden. Dabei fällt auf, dass Frauen bei akademisch Gebildeten unter 35 Jahren mit 52 Prozent sogar etwas stärker vertreten sind als Männer (nicht abgebildet). Bei Beschäftigten unter 35 Jahren, die hochkomplexe Experten-Tätigkeiten ausüben, liegt der Frauenanteil bei 46 Prozent, immerhin 5 Prozentpunkte höher als über alle Altersgruppen betrachtet (Abbildung 1.5 – 5 im Vergleich zu Abbildung 1.5 – 4). Die höhere Präsenz von Frauen bei den unter 35-Jährigen ist in allen Berufsgruppen (außer bei Lehrkräften) festzustellen.
In akademischen Bau- und Architekturberufen sind beispielsweise nur 32 Prozent Frauen (vergleiche Abbildung 1.5 – 4). Wenn man jedoch Personen unter 35 Jahren betrachtet, beträgt der Frauenanteil 41 Prozent. Ältere Jahrgänge mit hohem Männeranteil, die nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden, werden hier also durch Jahrgänge mit größerem Frauenanteil ersetzt. Dadurch dürfte der Frauenanteil in akademischen Bau- und Architekturberufen insgesamt in den nächsten Jahren allmählich weiter steigen.
Abbildung 1.5 - 5
Unter jüngeren Hochqualifizierten ist der Frauenanteil erheblich höher
Frauenanteil bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten Experten/-innen unter 35 Jahren an der jeweiligen Berufsgruppierung in Prozent im Vergleich zum korrespondierenden Frauenanteil aller Altersgruppen (Kennzeichnung durch Punkte)
30.6.2022
Ähnlich ist die Situation in den naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Berufen, bei denen unter den Jüngeren langsam ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis greifbar wird. In Lehre und Ausbildung verläuft die Entwicklung umgekehrt. Hier gibt es in jüngeren Jahrgängen mit 53 Prozent einen geringeren Frauenanteil als insgesamt (58 Prozent).
Bemerkenswert ist darüber hinaus die Entwicklung im medizinischen Sektor; dort sind nahezu zwei Drittel der jungen Beschäftigten weiblich. In einem starken Kontrast zu allen anderen Berufsgruppen stehen die Informatik sowie die technischen Ingenieurberufe. Obwohl auch hier unter den Jüngeren etwas mehr Frauen sichtbar sind, werden diese Berufe wohl auf absehbare Zeit vorwiegend eine Männerdomäne bleiben.
Ausländische Akademikerinnen und Akademiker überwiegend aus Nicht-EU-Staaten
Rund 855.000 in Deutschland sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit akademischem Abschluss hatten 2022 eine ausländische Staatsbürgerschaft. Der Ausländeranteil bei Akademikerinnen und Akademikern betrug 13 Prozent. Er ist damit höher als bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Berufsabschluss (8 Prozent), aber erheblich niedriger als bei Personen ohne Berufsabschluss (28 Prozent).
Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der ausländischen Akademikerinnen und Akademiker um 108.000 gestiegen (+14 Prozent). Mehr als drei Viertel des Zuwachses gehen auf gut Gebildete aus Nicht-EU-Staaten zurück, allen voran Beschäftigte mit indischer, ukrainischer und türkischer Staatsangehörigkeit. Hochqualifizierte aus nichteuropäischen Asylzugangsländern wie Iran, Syrien oder Pakistan machen insgesamt 11 Prozent des Zuwachses aus. Unter den akademisch qualifizierten EU-Ausländerinnen und Ausländern, die in Deutschland arbeiten, haben vor allem Menschen aus Italien und Polen zum Beschäftigungswachstum beigetragen.
Insgesamt stammen 2022 fast zwei Drittel der ausländischen Akademikerinnen und Akademiker aus einem Land außerhalb der Europäischen Union (Abbildung 1.5 – 6). EU-Angehörige sind unter den ausländischen Hochqualifizierten mit 38 Prozent vertreten. Dabei gehören Polen, Italien, Rumänien und Frankreich zu den beschäftigungsstärksten EU-Einzelnationen. Nicht-EU-Staatsangehörigkeiten, die zahlenmäßig eine größere Bedeutung haben, sind Indien, die Türkei, Russische Föderation, China und die Ukraine. Die Staatsangehörigkeit eines nichteuropäischen Asylzugangslandes5 besaßen 2022 rund 66.000 Akademikerinnen und Akademiker. Letztere haben einen relativen Zuwachs von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Dies entspricht einer Beschäftigungszunahme von rund 12.000 Personen.
Abbildung 1.5 - 6
Ausländische Akademikerinnen und Akademiker kommen zu mehr als der Hälfte aus Nicht-EU-Staaten
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit (Fach-)Hochschulabschluss und ausländischer Staatsangehörigkeit
30.6.2022
Die kulturelle Vielfalt der in Deutschland beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker ist größer als der Ausländeranteil vermuten lässt. 6 Millionen haben einen Migrationshintergrund6 – das sind 25 Prozent aller Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss.
Wachsende Bedeutung atypischer Beschäftigungsverhältnisse
Die Arbeitsmarktreformen nach der Jahrtausendwende haben flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet. So ist der anhaltende Beschäftigungsanstieg von einer Zunahme flexibler, auch „atypisch“ genannter Beschäftigungsverhältnisse begleitet. Hierzu zählen Teilzeitverträge, Minijobs, befristete Beschäftigung und Zeitarbeit. Auch am Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker haben atypische Beschäftigungsverhältnisse an Bedeutung gewonnen.
So hatten 2022 rund 87.000 Akademikerinnen und Akademiker einen Arbeitsvertrag in der Zeitarbeit.7 Das waren zwar 62 Prozent mehr als 2013. Bezogen auf alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker entspricht dies aber einem Anteil von lediglich 1 Prozent. Bei Beschäftigten mit Berufsabschluss fällt dieser Anteil leicht höher und bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss höher aus (Abbildung 1.5 – 7).
Abbildung 1.5 - 7
Atypische Erwerbsformen spielen bei Akademikerinnen und Akademiker in der Regel eine untergeordnete Rolle
Atypische Beschäftigung nach Berufsabschluss, Anteile in Prozent
30.6.2022, Befristung Jahresdurchschnitt 2022
Mit fast 2 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeitete ein gutes Viertel der Akademikerinnen und Akademiker in Teilzeit.8 Gegenüber 2013 hat sich die Zahl verdoppelt. Darüber hinaus gab es 415.000 Akademikerinnen und Akademiker, die ausschließlich einen Minijob ausübten. Ihre Zahl hat im Vergleich zu 2013 um 18 Prozent zugenommen. Insgesamt gingen 6 Prozent der beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker ausschließlich einem Minijob nach. Bei der Bewertung dieser Zahlen ist zu bedenken, dass insbesondere Teilzeitarbeitsverhältnisse, aber auch Minijobs häufig freiwillig gewählt sein können, weil sie den persönlichen Präferenzen und Lebenssituationen am besten entsprechen. Sie können aber auch deswegen zustande kommen, weil es an alternativen Angeboten (zum Beispiel in Vollzeit) oder vielleicht an Kinderbetreuung mangelt. Nach letzten Angaben des Mikrozensus wollten 183.000 erwerbstätige Akademikerinnen und Akademiker ihre Arbeitszeit um durchschnittlich 13 Wochenstunden ausweiten.9
In der Regel nicht freiwillig wird dagegen die Befristung eines Arbeitsverhältnisses angestrebt. Mit 43 Prozent hatte 2022 nahezu jeder zweite neu abgeschlossene Arbeitsvertrag eines Akademikers oder einer Akademikerin ein Ablaufdatum.10 Bei Arbeitnehmern mit Berufsabschluss war der Anteil an Befristungen erheblich geringer (31 Prozent), bei Beschäftigten ohne Berufsabschluss höher (51 Prozent).
Zwischen den Branchen gibt es merkliche Unterschiede. Sehr häufig sind befristete Neueinstellungen in der Kultur- und Unterhaltungsbranche oder auch an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, denn Forschungsprojekte sind in der Regel zeitlich begrenzt und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gibt einen weiten Rahmen für Befristungen vor. Viele Befristungen bei Neueinstellungen gibt es außerdem im Gesundheits- und Sozialwesen, bei gemeinnützigen Organisationen oder im Öffentlichen Dienst. Dagegen erfolgen Neueinstellungen im Baugewerbe, im Verarbeitenden Gewerbe oder bei Banken, Versicherungen und in der Immobilienverwaltung vergleichsweise selten befristet.
Fast die Hälfte der Befristungen, vor allem sachgrundlose, werden nach Erkenntnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt. Danach mündeten 2022 47 Prozent der befristet geschlossenen Arbeitsverhältnisse in einen Dauervertrag. Im Vergleich zu 2019, als die Übernahmequote noch 44 Prozent lag, ist das ein nennenswerten Anstieg. In den Jahren 2020 und 2021 war die Übernahmen coronabedingt auf 39 beziehungsweise 40 Prozent gesunken.11
Der oben genannte Befristungsanteil bei neu begonnenen Beschäftigungsverhältnissen lässt sich deshalb sinnvoll durch eine Gesamtbefristungsquote ergänzen: 2022 hatten – bezogen auf die Gesamtzahl aller abhängig beschäftigten Akademiker – rund 10 Prozent einen befristeten Arbeitsvertrag. Dies entspricht etwa 920.000 befristet beschäftigten Akademikerinnen und Akademikern.12 Auch bei dieser Gesamtbetrachtung sind, wie bei der Fokussierung auf die neu begonnenen Beschäftigungsverhältnisse, Befristungen in akademischen Berufen deutlich verbreiteter als bei Beschäftigten mit Berufsabschluss.
Befristungen treten vorrangig in der Anfangsphase des Berufslebens auf und werden mit fortschreitender beruflicher Etablierung immer mehr zur Ausnahme. Während von allen abhängig Beschäftigten unter 35 Jahren 23 Prozent befristet tätig waren, betraf dies bei den 35- bis 49-Jährigen noch 7 Prozent. Bei Personen von mindestens 50 Jahren hatten lediglich 4 von 100 einen befristeten Vertrag.13
______________
1 In den Angaben zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Fach- und Hochschulabschluss sind geschätzte Angaben für Personen einbezogen, für die keine Angaben zum Berufsabschluss vorliegen. Das gleiche gilt für die Berechnung der Anteile.
2 Aufgrund der Umstellung auf die „Klassifikation der Berufe 2010“ sind die Angaben ab dem Jahr 2013 nur eingeschränkt mit den Jahren davor vergleichbar.
3 Einschließlich Personen mit Meister-, Techniker- oder gleichwertigem Abschluss
4 Anforderungsniveau 4 – hoch komplexe Tätigkeiten (KldB 2010).
5 Als nichteuropäische Asylzugangsländer werden hier die nichteuropäischen Staaten zusammengefasst, aus denen in den letzten Jahren die meisten Menschen in Deutschland Asyl beantragt haben (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien). Näheres siehe: statistik.arbeitsagentur.de > Themen im Fokus > Migration
6 Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus Erstergebniss 2022, Erwerbstätige mit Migrationshintergrund im weiteren Sinne. Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Zu den Personen mit Migrationshintergrund im weiteren Sinne gehören auch Personen mit nicht durchgehend in allen Jahren bestimmbarem Migrationsstatus.
7 Hier sind jeweils geschätzte Angaben einbezogen für Personen, für die keine Angaben zum Berufsabschluss vorliegen. Zeitarbeit: Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung.
8 Hier sind jeweils geschätzte Angaben einbezogen für Personen, für die keine Angaben zur Arbeitszeit vorliegen.
9 Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2019, Sonderauswertung. Aktuellere Daten lagen bis Juni 2022 noch nicht vor.
10 Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Es liegen hier nur Angaben zu Befristungen bei neu begonnenen Beschäftigungsverhältnissen vor.
11 Quelle: IAB, Sonderauswertung
12 Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2022, Angaben ohne Personen in Ausbildung.
13 Quelle: Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung des Mikrozensus. Vorläufige Erstergebnisse für 2022.
Stand: Juli 2023
1.6 Gehälter
PDF-Datei (PDF, 177KB)
Ein Studium lohnt sich in der Regel auch in finanzieller Hinsicht. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat errechnet, dass Personen mit einem Fachhochschul- und Hochschulabschluss im Laufe ihres Berufslebens im Schnitt rund 830.000 Euro mehr verdienen als Facharbeiterinnen und Facharbeiter mit Berufsabschluss.1 Nach dem Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit betrachtet liegt das Durchschnittseinkommen von Expertinnen und Experten sogar um fast eine Million Euro höher als für Fachkräfte. Die Entgeltstatistik der Bundes¬agentur für Arbeit, die auf den Angaben zur Sozialversicherung der 2022 gut 34 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland aufbaut, bestätigt diese Abstufung. Sie weist für Vollzeitbeschäftigte mit einer Tätigkeit, deren Anforderungsprofil einem mindestens vierjährigen Hochschulabschluss entspricht, ein mittleres Monatsentgelt2 von 5.868 Euro aus (Westdeutschland 6.040 Euro, Ostdeutschland 5.159 Euro). Das Medianentgelt von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Fachkräften mit dem Anforderungsniveau einer betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung lag mit 3.383 Euro deutlich niedriger (West 3.494 Euro, Ost 2.907 Euro).
Es gibt allerdings beträchtliche Unterschiede zwischen und innerhalb der einzelnen Berufsgruppen. Ebenso wird das erzielte Gehalt durch Faktoren wie den Beschäftigungsort, die Branche, die Betriebsgröße, die Berufserfahrung oder auch das Geschlecht beeinflusst.
Deutliche Unterschiede nach Berufen...
Innerhalb der Akademikerberufe erzielen zum Beispiel sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Medizin und Pharmazie, in Ingenieurberufen, in den Rechtswissenschaften oder in Wirtschafts- und Managementberufen weit überdurchschnittliche Gehälter (Abbildung 1.6 – 1). Dagegen fallen die Monatsentgelte in der Sozialen Arbeit, in der Psychologie oder in der Publizistik tendenziell geringer aus.
... Regionen ...
Zwischen West- und Ostdeutschland besteht rechnerisch bei Expertinnen und Experten ein durchschnittliches Lohngefälle von 880 Euro, was 15 Prozent entspricht. Eine Ausnahme bilden Lehrkräfte im Osten Deutschlands, die laut Entgeltstatistik mehr verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland. Dieses Phänomen kann mit der unterschiedlichen Verbeamtungspraxis im Schuldienst erklärt werden.3
Abbildung 1.6 - 1
In ärztlichen, technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Berufen werden in Westdeutschland die höchsten Gehälter erzielt
Mittleres Monats- Bruttoentgelt von sozialversicherungspflichtigen vollzeitbeschäftigten Expert/-innen in Euro, 2022
... Branchen ...
Nach Branchen betrachtet zählen Akademikerinnen und Akademiker, die im Verarbeitenden Gewerbe tätig sind, zu den Spitzenverdienern. Hier lag 2022 in Westdeutschland bei mehr als der Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten das erzielte Entgelt bei mindestens 6.973 Euro monatlich (Abbildung 1.6 – 2). Auch bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie im Gesundheitswesen fielen die Entgelte deutlich überdurchschnittlich aus. In Ostdeutschland ergibt sich eine andere Reihenfolge. Die höchsten Entgelte wurden hier im Gesundheitswesen, gefolgt von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erzielt. Das Verarbeitende Gewerbe belegte mit merklichem Abstand nur den Platz 3.
Abbildung 1.6 - 2
Spitzen-Gehälter werden im Verarbeitenden Gewerbe, bei Finanz- und Versicherungsdienstleistern
und im Gesundheitswesen gezahlt
Mittleres Monats-Bruttoentgelt von sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigten Expert/-innen nach Wirtschaftsabteilungen in Westdeutschland in Euro (Werte für Ostdeutschland in Klammern), 2022
... sowie Geschlecht ...
Die mittleren Vollzeit-Bruttoentgelte von Männern und Frauen auf Expertenniveau lagen 2022 laut Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit in Westdeutschland 1.446 Euro bzw. 22 Prozent auseinander. Im Osten Deutschlands fiel die Lohnlücke mit 608 Euro bzw. 11 Prozent erheblich geringer aus. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ostdeutsche Männer mit einem Abschlag von mehr als 1.000 Euro erheblich weniger verdienen als westdeutsche Männer, während die Entgelte der west- und ostdeutschen Frauen nur um rund 200 Euro auseinanderliegen.
Die Differenz zwischen Frauen- und Männergehältern kommt auch durch die unterschiedlichen Präferenzen bei der Berufswahl zustande, die sich im Westen stärker zeigen als im Osten. Während Frauen häufig soziale, lehrende, erziehende oder geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Berufe ausüben, in denen die Gehälter geringer ausfallen, dominiert zum Beispiel in den einkommensstarken technischen Berufen und den Wirtschaftswissenschaften das männliche Geschlecht. Darüber hinaus schlagen unter anderem Unterschiede hinsichtlich der Beschäftigungsbranchen, der Berufserfahrung oder -unterbrechungen sowie der Häufigkeit von Führungspositionen zu Buche. Die nominalen Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen verringern sich deshalb merklich, wenn man nur die Gehälter z. B. derselben Berufsgruppen, derselben Branche und derselben Anforderungsniveaus miteinander vergleicht. Nach diesem Prinzip ermittelt das Statistische Bundesamt alle vier Jahre auf Basis der Verdienststrukturerhebung den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Danach lassen sich rund drei Viertel der unbereinigten Lohnlücke mit den geschilderten Strukturunterschieden erklären. Rechnerisch bereinigt um diese Unterschiede verdienten Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit, vergleichbarer Qualifikation und Position 7 Prozent weniger als Männer.4 Für Akademikerinnen und Akademiker liegen leider keine gesonderten Angaben vor.
______
1 Quelle: IAB-Kurzbericht 18/2022.
2 Einkommen werden in der Beschäftigungsstatistik nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze ausgewiesen (2022 West 7.050 Euro, Ost 6.750). Als Mittelwert wird deshalb nicht das arithmetische Mittel (=Durchschnitt), sondern der Median ausgewiesen (50 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdienen mehr, 50 Prozent weniger). Der Median hat den Vorteil, dass er nicht von statistischen Ausreißern mit sehr geringen oder sehr hohen Verdiensten beeinflusst wird.
3 Auf die Lehramtsgehälter in Westdeutschland schlägt sich dämpfend nieder, dass dort junge Lehrkräfte (mit geringeren Gehältern) unter dem sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personal einen größeren Anteil einnehmen als in Ostdeutschland (50 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Lehrkräfte sind in Westdeutschland unter 40 Jahre alt. In Ostdeutschland sind es nur 41 Prozent). Das liegt daran, dass in den westlichen Ländern die Lehrkräfte – vor allem die berufserfahreneren und damit besser dotierten – häufiger verbeamtet sind als in den östlichen Ländern.
4 Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 036 vom 30.01.2023. Wenn für die Berechnungen weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren zur Verfügung stünden, könnte laut Statistischem Bundesamt der bereinigte Gender Pay Gap möglicherweise noch geringer ausfallen. So liegen beispielsweise zu familienbedingten Erwerbsunterbrechungen keine Informationen vor.
Stand: August 2023
1.7 Arbeitslosigkeit
PDF-Datei (PDF, 283KB)
Arbeitslosenzahl erneut leicht gesunken
Die Zahl arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker hatte sich 2020 coronabedingt kräftig auf 238.000 erhöht (+51.000 gegenüber Vorjahr) und fiel so hoch aus wie seit über 10 Jahren nicht mehr (Abbildung 1.7 – 1). Dieser Zuwachs konnte 2021 und 2022 nicht vollständig wieder abgebaut werden. Im Jahresdurchschnitt 2022 waren 205.000 Personen mit akademischem Abschluss arbeitslos gemeldet. Das waren 17.000 weniger als im Vorjahr, aber 17.000 mehr als 2019.
Akademiker-Arbeitslosenquote nach wie vor auf Vollbeschäftigungsniveau
Die Akademiker-Arbeitslosenquote sank 2022 von 2,4 auf 2,2 Prozent. 2019, also vor der Corona-Krise, hatte sie bei 2,1 Prozent gelegen. Damit ist die relative Arbeitslosigkeit, ausgedrückt durch die Arbeitslosenquote, weiterhin sehr gering. Bis zu einer Arbeitslosenquote von rund 3 Prozent wird üblicherweise von Vollbeschäftigung gesprochen.
Abbildung 1.7 - 1
Deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit im Kontext der Pandemie, ab 2021 Erholung
Jahresdurchschnittsbestand an Arbeitslosen mit (Fach-)Hochschulabschluss und Arbeitslosenquote
Deutschland
Seit 2007 Arbeitslosenquote kontinuierlich unter 3 Prozent
Die Arbeitslosenquote ist gut für längerfristige Betrachtungen geeignet. Ein Rückblick über fast 5 Jahrzehnte zeigt, dass Arbeitskräfte mit (Fach-)Hochschulabschluss immer vergleichsweise selten von Arbeitslosigkeit betroffen waren (Abbildung 1.7 – 2). Selbst in konjunkturell schlechten Zeiten blieb die Akademiker-Arbeitslosenquote auf sehr niedrigem Niveau. 1 Seit der Wiedervereinigung bewegte sich die Quote in der Regel unterhalb der 4-Prozent-Marke, seit 2007 sogar kontinuierlich unter 3 Prozent.2
Abbildung 1.7 - 2
Akademikerinnen und Akademiker immer seltener arbeitslos als andere Qualifikationsgruppen
Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten
Deutschland, bis 1990 früheres Bundesgebiet
Das größte Risiko, arbeitslos zu werden, tragen im Gegensatz dazu die nicht formal Qualifizierten. Hier ist die Arbeitslosenquote in den letzten Jahrzehnten auf ein sehr hohes Maß gestiegen (Spitzenwert 1997 mit 26,9 Prozent). Zwar war die Quote seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 bis 2019 etwas rückläufig, trotzdem war 2019 noch jeder sechste Geringqualifizierte arbeitslos, 2020 bis 2022 im Zuge der Pandemie sogar jeder fünfte. In dieser unterschiedlichen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit spiegelt sich der Strukturwandel wider: Die Zahl der Arbeitsplätze, die hohe Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten stellen, nimmt zu, während der Bedarf an einfachen Tätigkeiten, die keinen Berufsabschluss erfordern, auf niedrigerem Niveau verharrt.
Geringste Arbeitslosenquoten in Verwaltungsberufen, bei Lehrkräften und in der Medizin
Nach Berufen betrachtet gibt es sehr geringe Arbeitslosenquoten in Verwaltungsberufen, bei Lehrkräften, in Medizin und Pharmazie sowie im Sozialwesen. Hier erreichten die berufsspezifischen Arbeitslosenquoten 2022 einen Wert von unter 2,0 Prozent (Abbildung 1.7 – 3). Es gibt aber auch akademische Berufsfelder, in denen die Arbeitslosenquoten vergleichsweise hoch ausfallen. Hierzu gehören die Naturwissenschaften mit 7,3 Prozent, die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften mit 5,8 Prozent oder Mediengestaltung, Werbung und Marketing mit 5,7 Prozent.
Abbildung 1.7 - 3
Erhebliche Spannbreite bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten
Berufsspezifische Arbeitslosenquoten für ausgewählte Berufsgruppierungen - jeweils Experte/-in
2022 im Vergleich zum Vorjahr (Richtungspfeile)
Studienfachspezifische Arbeitslosenquoten relativieren die Einschätzung
Vor allem für Berufe mit relativ hohen Arbeitslosenquoten ist es sinnvoll, einen ergänzenden Blick auf die studienfachspezifischen Arbeitslosenquoten 3 zu werfen (Abbildung 1.7 – 4).
Diese zeigen an, welcher Anteil der Erwerbspersonen, die einen Studienabschluss in einem bestimmten Studienfach aufweisen, im betrachteten Jahr durchschnittlich arbeitslos war. Dabei steht nicht, wie bei den berufsspezifischen Arbeitslosenquoten, die konkret ausgeübte bzw. gesuchte Berufstätigkeit im Fokus, sondern der formale Abschluss. Es spielt also keine Rolle, ob eine Tätigkeit passend zum absolvierten Studienfach ausgeübt wird oder in einem fachfremden Bereich. Gerade für die Studienfächer, die nicht auf eine konkrete Berufstätigkeit vorbereiten, sondern Kompetenzen für ein weites Tätigkeitsspektrum eröffnen, wie z. B. den Naturwissenschaften oder den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, ergibt sich dadurch ein aussagekräftigeres Gesamtbild.
Abbildung 1.7 - 4
Arbeitslosenquoten in den meisten Studienfachrichtungen sehr gering
Studienfachbezogene Arbeitslosenquoten für ausgewählte Studienfachrichtungen in Prozent
2022
So fällt die studienfachspezifische Arbeitslosenquote für Personen mit einem Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Fach nominal erheblich geringer aus als die berufsspezifische Arbeitslosenquote: Für Erwerbstätige mit einem abgeschlossenen Mathematik-, Statistik-, Physik-, Biologie- oder Chemie-Studium errechnen sich studienfachspezifische Arbeitslosenquoten von weniger als 3,0 Prozent anstatt 7,3 Prozent (Abbildung 1.7-3). Ähnlich verhält es sich bei Studiengängen rund um Werbung und Marketing mit Arbeitslosenquoten von 5,7 Prozent (berufsspezifisch) bzw. 3,0 Prozent (studienfachbezogen). Auch in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften wird eine Differenzierung deutlich: Dank der Aufgeschlossenheit gegenüber fachfremden Tätigkeitsfeldern verzeichnen Erwerbspersonen mit einem Abschluss der Sprach- und Literaturwissenschaften eine studienfachspezifische Arbeitslosenquote von nur 2,8 Prozent, in den Politikwissenschaften von 2,6 Prozent. Auch für die Geschichtswissenschaften wird mit 3,5 Prozent die berufsspezifische Berechnung relativiert, die für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften insgesamt 5,8 Prozent ausweist. Bei den Berufen rund um Redaktion und Journalistik ergibt die studienfachspezifische Berechnung der Arbeitslosenquote einen Wert von 3,6 Prozent, die merklich geringer ausfällt als die berufsspezifische Sichtweise mit 5,7 Prozent.
Regionale Unterschiede
Da die Arbeitsmarktchancen mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Region in Zusammenhang stehen, fällt die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern auch regional betrachtet unterschiedlich aus. Sehr niedrige Arbeitslosenquoten gibt es – wie bei der Gesamtarbeitslosigkeit – im Süden Deutschlands (Abbildung 1.7 – 5).
Abbildung 1.7 - 5
In allen Bundesländern sind Akademikerinnen und Akademiker unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen
Arbeitslosenquoten insgesamt und für Akademiker/-innen in Prozent
2022
In den östlichen Ländern ist die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern mit durchschnittlich 2,9 Prozent höher als in Westdeutschland (2,0 Prozent). Auch die Stadtstaaten weisen höhere Arbeitslosenquoten auf. Aber für den Osten Deutschlands und die Stadtstaaten gilt ebenso: Akademische Fachkräfte sind überall weit seltener von Arbeitslosigkeit betroffen als Erwerbspersonen insgesamt. So lag zum Beispiel die Arbeitslosenquote in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt bei 7,3 Prozent, die der Akademikerinnen und Akademiker bei 2,8 Prozent. In Bremen waren es durchschnittlich 10,2 Prozent gegenüber 3,2 Prozent bei Akademikerinnen und Akademikern.
Arbeitslosigkeit dauert kürzer als bei anderen Qualifikationsgruppen
Akademikerinnen und Akademiker sind im Mittel kürzer arbeitslos als Personen mit geringerer formaler Bildung. Im Vordergrund steht hier die Sucharbeitslosigkeit. 60 Prozent der arbeitslosen Akademikerinnen und Akademikern waren 2022 kürzer als ein halbes Jahr arbeitslos (Abbildung 1.7 – 6). Bei Arbeitslosen mit Berufsabschluss lag dieser Anteil erkennbar niedriger (46 Prozent), bei nicht formal Qualifizierten war er nochmals 3 Prozentpunkte kleiner (43 Prozent).
Abbildung 1.7 - 6
Anteil der kurzfristig Arbeitslosen ist bei Akademikerinnen und Akademikern am größten
Durchschnittliche bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit nach Art der beruflichen Qualifikation
Anteile 2022
Langzeitarbeitslosigkeit, also ein Jahr Arbeitslosigkeit und länger, war für 22 Prozent der Akademikerinnen und Akademikern ein Thema. Bei Arbeitslosen, die keinen akademischen Abschluss haben, sind die Anteile Langzeitarbeitsloser deutlich höher (bis hin zu 41 Prozent bei Ungelernten).
Arbeitslosigkeit auch im europäischen Vergleich gering
Auch im europäischen Vergleich fällt die Arbeitslosenquote von Akademikerinnen und Akademikern in Deutschland unterdurchschnittlich aus (Abbildung 1.7 – 7).
Abbildung 1.7 - 7
Auch in anderen Ländern sind Akademikerinnen und Akademiker seltener arbeitslos als andere Qualifikationsgruppen
ILO-Erwerbslosenquoten insgesamt und Akademiker/-innen (Fachkräfte ISCED Level 5 bis 8) in Prozent
Ausgewählte Staaten, 2022
Die ILO-Erwerbslosenquote von Personen mit tertiärer Ausbildung belief sich 2022 in Deutschland auf 2,1 Prozent.4 Der EU-Durchschnitt lag bei 3,8 Prozent. In Tschechien, Polen, Ungarn, Bulgarien und Rumänien wurde jeweils mit einem Wert von unter 2 Prozent jeweils eine noch geringere Arbeitslosenquote ausgewiesen (nicht alle abgebildet). Die höchsten Arbeitslosenquoten wurden in Griechenland und Spanien ermittelt.
Innerhalb der EU variiert die Akademiker-Erwerbslosenquote erheblich, da sie stark von der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage des jeweiligen Landes abhängt. Gleichwohl ist in allen EU-Ländern die Erwerbslosenquote von Hochschulabsolventen merklich geringer als die Erwerbslosenquote insgesamt.
______
1 Seit dem Jahr 2006 können für Personen mit Fachschul-, Meister- oder Technikerausbildung die Quoten nicht mehr isoliert berechnet werden. Weitergehende Analysen mit ILO-Daten zeigen aber, dass die Erwerbslosenquote für Arbeitskräfte mit diesen Weiterbildungsabschlüssen ähnlich gering oder teilweise sogar geringer ist als die Arbeitslosenquote von Akademikern. Siehe IAB – Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten, 24. Oktober 2016, Nürnberg.
2 Die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten von 1975 bis 2014 beruhen auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Die Berechnungsmethode unterscheidet sich von der der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die ab 2015 verfügbar ist. Die Unterschiede in den Quoten sind aber minimal. Näheres siehe: statistik.arbeitsagentur.de > Grundlagen > Methodenberichte > Arbeitsmarkt
3 Diese sind nur für ausgewählte Studienfachrichtungen verfügbar. Siehe Hinweise zu statistischen Angaben.
4 Quelle: Eurostat, Angaben für 2021.Tertiäre Ausbildung: ISCED-2011-Level 5 bis 8. Alter 15 bis 64 Jahre. Näheres zur ILO-Erwerbslosigkeit siehe statistik.arbeitsagentur.de > Grundlagen > Statistik erklärt > Arbeitsuche, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
Stand: Juli 2023
1.8 Arbeitskräftenachfrage
PDF-Datei (PDF, 209KB)
Nachfrage erreicht neues Allzeithoch
Im Laufe des Jahres 2022 wurden 237.000 Stellenangebote für hoch komplexe Tätigkeiten1 bei der Bundesagentur für Arbeit neu gemeldet. Nach einem ununterbrochenen Anstieg von 2014 bis zum Peak im Jahr 20192 war die Arbeitskräftenachfrage 2020 aufgrund der Corona-Pandemie deutlich gesunken. Im Jahr 2021 erreichte die Zahl der neu gemeldeten Stellenangebote wieder das Niveau von 2019. 2022 wurde diese noch einmal deutlich (+17 Prozent) übertroffen. Die Stellenentwicklung insgesamt ging hingegen 2022 vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten leicht zurück.
Neben den Stellenangeboten mit hochkomplexem Anforderungsprofil wurden 2022 weitere 223.000 Offerten gemeldet, die sich an Arbeitsuchende mit einem Meister-, Techniker- oder Bachelorabschluss wandten, 5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.3 Im Monatsdurchschnitt hatte die öffentliche Arbeitsvermittlung damit 78.000 Arbeitsstellen für Tätigkeiten mit hoch komplexen Anforderungen (Abbildung 1.8 - 1) und 95.000 für komplexe Spezialistentätigkeiten im Angebot.
Abbildung 1.8 - 1
Kräftenachfrage auf Rekordniveau
Gemeldete Arbeitsstellen für Expert/-innen
Gesamtwirtschaftliche Nachfrage größer als die gemeldete Nachfrage
In Deutschland gibt es keine Meldepflicht für offene Stellen. Deshalb ist der gesamtwirtschaftliche Bedarf an Arbeitskräften größer als die Zahl der gemeldeten Stellen. Nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden im 4. Quartal 2022 rund 39 Prozent der offenen Stellen bei den Vermittlungseinrichtungen angezeigt. Bei Stellen für hochkomplexe Expertentätigkeiten liegt die Meldequote deutlich niedriger: für knapp 24 Prozent der freien Stellen wurde hier ein Vermittlungsauftrag erteilt. Laut IAB-Stellenerhebung waren im 4. Quartal 2022 rund 208.000 Stellen mit hochkomplexen Anforderungsprofilen zu besetzen. Das war ein Plus von 87.000 gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig waren in den Betrieben und Institutionen 364.000 Stellen für komplexe Spezialistenaufgaben zu besetzen (+156.000 gegenüber Vorjahr).
Wirtschaftswissenschaftliche und IT-Berufe am häufigsten gesucht
Die Liste der „gefragtesten“ Akademikerinnen und Akademiker wurde 2022 angeführt von den Wirtschafts-Experten: Rund 47.000 Stellenangebote für Tätigkeiten in Management, Handel, Finanzen oder Wirtschaftswissenschaften gingen im Laufe des Jahres 2022 bei der Bundesagentur für Arbeit ein (Abbildung 1.8 – 2). Es folgten IT-Berufe, das technische Ingenieurwesen, das Sozialwesen und Bau- und Architekturberufe.
Abbildung 1.8 - 2
Die gefragtesten akademischen Berufe
Zugänge gemeldeter Arbeitsstellen (Jahressumme) für Expert/-innen in akademischen Berufen
2022
Deutlichster Anstieg der gemeldeten Nachfrage in der Informatik und im Ingenieurwesen
Nach dem coronabedingten Einbruch der Nachfrage im Jahr 2020 stieg die Nachfrage 2022 in fast allen Berufen erneut an (Abbildung 1.8 – 3) und überstieg auch wieder den Vorkrisen-Wert von 2019.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Stellenmeldungen prozentual am stärksten gewachsen in der Informatik sowie im technischen Ingenieurwesen. Besonders deutliche prozentuale Zuwächse gab es darüber hinaus für Berufe der Wirtschaftswissenschaften und Mediengestaltung, Werbung und Marketing. Nur ein geringes Plus wurde für Berufe der Rechtswissenschaften, Bau und Architektur sowie das Sozialwesen registriert. Einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr wiesen dagegen der gemeldete Personalbedarf nach (angestellten) Lehrkräften und in Medizin- und Pharmazieberufen aus.
Abbildung 1.8 - 3
Zunehmende Nachfrage in fast allen Fachrichtungen, vor allem in Informatik und Ingenieurwesen
Veränderung der Zugänge gemeldeter Arbeitsstellen für Expert/-innen (Jahressumme)
2022 gegenüber Vorjahr
Vakanzzeit als ein Indikator für mögliche Besetzungsprobleme
Die Zeitspanne zwischen dem vom Arbeitgeber gewünschten Besetzungstermin und der tatsächlichen Abmeldung eines Stellenangebotes bei der Arbeitsvermittlung, die sogenannte Vakanzzeit, liefert Anhaltspunkte dafür, wie schnell es Unternehmen gelingt, freie Stellen zu besetzen. Ein hohes Niveau kann einen Engpass signalisieren. Allerdings kann die Vakanzzeit auch von anderen Faktoren beeinflusst werden, zum Beispiel wie zeitig mit der Personalsuche begonnen wird oder wie aufwändig und formal ein Auswahlverfahren gestaltet wird.4
Im Jahr 2020 waren steigende Vakanzzeiten zu beobachten, weil Betriebe Entscheidungsprozesse hinauszögerten, denn es war zunächst unklar, wie sich die Lage weiterentwickeln würde. Die 2020 leicht gestiegenen Vakanzzeiten könnten deshalb für ins Stocken geratene oder sogar auf Eis gelegte Stellenbesetzungsverfahren stehen. Auch veränderte Aufgabenprioritäten im Arbeitgeber-Service der öffentlichen Arbeitsvermittlungen, z. B. in der Beratung und Gewährung von Kurzarbeitergeld, hatten einen merklichen Einfluss. Die sinkenden Vakanzzeiten im Jahr 2021 konnten in diesem Kontext als Anzeichen für die allmähliche Rückkehr zu „normalen“ Stellenbesetzungsprozessen interpretiert werden. 2022 sind die Vakanzzeiten wieder gestiegen. Hierbei liegt die Schlussfolgerung nahe, dass dies auf größer gewordene Besetzungsprobleme zurückzuführen sein dürfte.
Abbildung 1.8 - 4
Sehr hohe Vakanzzeiten in Medizin, Bauwesen und Ingenieurwesen
Durchschnittliche Vakanzzeit gemeldeter sozialversicherungspflichtiger Arbeitsstellen in Tagen, gemessen bei Abmeldung der Stellen, ohne gemeldeten Stellen von Zeitarbeitsunternehmen
2022, Veränderung gegenüber Vorjahr in Tagen
2022 waren Stellen für akademische Expertinnen und Experten durchschnittlich 97 Tage vakant. Das waren 5 Tage mehr als im Vorjahr. Gemeldete Arbeitsstellen für Fachkräfte mit Berufsaus-bildung wiesen allerdings mit 152 Tagen eine erheblich höhere Vakanzzeit auf.
Zwischen den Berufen gibt es eklatante Unterschiede. Hohe, weit überdurchschnittliche Vakanzzeiten kennzeichnen die Stellenangebote in Medizin und Pharmazie sowie in Bau und Architektur. Diese können als Indiz für Engpässe bei der Stellenbesetzung gewertet werden (Abbildung 1.8 – 4). Eine rückläufige Vakanzzeit gab es nur bei Lehrkräften. Die geschilderten Einflussfaktoren auf die Vakanzzeiten machen eine eindeutige Interpretation der Daten schwierig.
Engpässe haben wieder zugenommen
Auf Basis eines Indikatorensets, zu dem neben der Vakanzzeit beispielsweise die Arbeitsuchenden-Stellen-Relation, die berufsspezifische Arbeitslosenquote oder auch die Entwicklung des Entgelts gehören, hat die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2022 insgesamt für 39 akademisch geprägte Berufe5 einen Fachkräfteengpass ausgewiesen. Während der Pandemie hatte sich die Anzahl der Engpassberufe deutlich reduziert – 2019 wurden noch 40 ermittelt, 2020 waren es 30 Engpassberufe.
Bei Informatikberufen, insbesondere in der Softwareentwicklung schlägt sich die zunehmende Digitalisierung in Fachkräfteengpässen nieder. Engpässe zeigten sich darüber hinaus in ärztlichen und pharmazeutischen Berufen. Außerdem sind Lehrkräfte an Berufschulen sehr gesucht. Des Weiteren traten auch in der Rechts- und Steuerberatung, diversen kaufmännischen Berufen, technischen Berufen oder in den Berufsfeldern Bau und Architektur sowie Sozialwesen Besetzungsprobleme zu Tage (Abb. 1.8 – 5).
Differenzierte Informationen zu Fachkräfteengpässen im Jahr 2022, auch in nichtakademischen Berufen, sind in der Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit zu finden.6
Abbildung 1.8 - 5
Engpassanalyse für 2022: Engpässe in 39 Berufen auf Expertenniveau
Ausgewählte Berufe mit Kennzeichen für einen Fachkräfteengpass (ohne Bewertung der Dringlichkeit eines Engpasses)
Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit 2022
- Informatik (vor allem in der Softwareentwicklung)
- Medizin, Tiermedizin, Pharmazie
- Pflegeberufe, Heilerziehungspflege, Sozialpädagogik
- Lehrkräfte an Berufsschulen
- Bau, Landschaftsbau, Stadt- und Raumplanung
- Rechtsanwalt/-anwältin, Steuerberater/-innen, Buchalter/-in, Versicherungskaumann/-frau, Management
- Luft- und Raumfahrttechnik, Automatisierungstechnik, Elektrotechnik, Mechatronik, Qualitätssicherung, Medizintechnik
- Lebensmittelherstellung
- Wasserwirtschaft
- Werbung und Marketing
Außerdem:
- 56 Berufe auf Spezialistenniveu (Meister, Techniker, Bachelor)
- 105 Berufe auf Fachkräfteniveau (betriebliche oder schulische Berufsausbildung)
______
1 Das Merkmal (Fach-)Hochschulabschluss ist in der Statistik der gemeldeten Stellen nicht vorhanden. Deshalb werden hier Stellen mit dem Anforderungsniveau 4 – hoch komplexe Tätigkeiten (Experte) zu Grunde gelegt. Voraussetzung für die Ausübung einer solchen Tätigkeit sind Kenntnisse und Fertigkeiten, die einem mindestens vierjährigen (Fach-)Hochschulabschluss entsprechen oder damit vergleichbar sind.
2 Vergleichbaren Angaben liegen ab dem Jahr 2007 vor.
3 Stellenangebote mit dem Anforderungsniveau 3 – komplexe Spezialistentätigkeiten (Spezialisten). Eine Differenzierung nach Meister-, Techniker oder Hochschulausbildung ist nicht möglich. Siehe auch Hinweise zu statistischen Angaben.
4 Die Qualität der Kennziffer hängt unter anderem davon ab, mit welchem zeitlichen Vorlauf Arbeitgeber Stellenangebote melden und wie schnell sie die Arbeitsvermittlung über die erfolgreiche Besetzung freier Stellen informieren. Engpässe lassen sich nicht an einem einzelnen Indikator ablesen. Vielmehr ist zu empfehlen, dass ein Set an Indikatoren herangezogen wird (vgl. BA-Fachkräfteengpassanalyse).
5 Berufsgattungen (Fünfsteller) der KldB 2010 mit Anforderungsniveau 4 - Experte
6 statistik.arbeitsagentur.de > Themen im Fokus > Fachkräftebedarf
Stand: Juli 2023
1.9 Akademischer Nachwuchs
PDF-Datei (PDF, 197KB)
Wie viele Jungakademikerinnen und -akademiker zukünftig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden, wird beeinflusst durch die demografische Entwicklung, die Studierneigung junger Menschen, Ausmaß und Struktur von Zu- und Abwanderung oder auch Reformen des Bildungssystems.
Demografisch bedingt geht mittelfristig die Zahl junger Menschen, die potenziell studieren können, zurück. Dies dürfte aber durch die gestiegene Studierneigung oder durch Zuwanderung ausgeglichen werden. Die BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen1 rechnen damit, dass bis 2040 wesentlich mehr Akademikerinnen und Akademiker ins Erwerbsleben eintreten als ausscheiden. Der Nachwuchs an akademischen Arbeitskräften dürfte insgesamt den Ersatzbedarf übersteigen. Da jedoch der wirtschaftliche Strukturwandel zusammen mit der fortschreitenden Digitalisierung einen steigenden Bedarf an akademisch gebildeten Arbeitskräften mit sich bringen dürfte, könnten die Hochschulabsolventen der nächsten Jahre auf dem Arbeitsmarkt auch nachgefragt werden. Längerfristig bleibt allerdings laut BIBB und IAB offen, ob alle Hochschulabsolventinnen und -absolventen eine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung werden finden können. Arbeitskräfteengpässe könnten sich dagegen vor allem in IT-Berufen sowie in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen ergeben.
Studierendenzahl bleibt auf sehr hohem Niveau
Insgesamt waren im Wintersemester 2022/23 rund 2,9 Millionen Studierende immatrikuliert.2 Das waren geringfügig weniger als im Vorjahr und 17 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Damit bleibt die Studierendenzahl auf einem sehr hohen Niveau.
Studienanfängerzahl auf Vorjahresniveau
Nach Phasen der Stagnation in den 1990er Jahren und von 2004 bis 2006 erlebten die Studienanfängerzahlen von 2007 bis zum Allzeithoch im Studienjahr 2011/12 einen rasanten Aufwärtstrend. 2011/12 gab es – bedingt vor allem durch die Aussetzung der Wehrpflicht und „doppelte Abiturjahrgänge“ – mit fast 519.000 die meisten Studienanfängerinnen und Studienanfänger (Abbildung 1.9 – 1). Bis zur Corona-Pandemie bewegten sich die Einschreibungszahlen stabil auf sehr hohem Niveau. 2021/22 war erneut ein merklicher Rückgang und die geringste Einschreibungszahl seit 2011 zu verzeichnen. 475.000 Personen, davon 52 Prozent Frauen, nahmen im Studienjahr 2022/23 ein Studium in Deutschland auf. Die Zahl der Neueinschreibungen fiel damit ein knappes Prozent höher aus als im Vorjahr.
Bezogen auf die Bevölkerung hat fast jede/-r Zweite ein Studium aufgenommen. Die Studienanfängerquote lag 2021 bei 44 Prozent.3 Von den jungen Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit begannen sogar 50 Prozent ein Studium. An diesen Kennzahlen lässt sich die Bildungsexpansion der letzten Jahre ablesen: 2005 begann nicht einmal ganz jede/-r Dritte ein Studium (30 Prozent insgesamt, Deutsche 33 Prozent).
Abbildung 1.9 - 1
Studienanfänger- und Absolventenzahlen nach pandemiebedingtem Rückgang wieder steigend
1993 bis 2022 Studierende im 1. Hochschulsemester und bestandene Prüfungen (ohne weiterstudierende Bachelor)
2023 bis 2030 Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz, in Klammern Veränderungen gegenüber Vorjahr
Auch in den nächsten Jahren viele Erstsemester
Die Kultusministerkonferenz geht in ihrer 2021 veröffentlichten Vorausberechnung der Studienanfängerzahlen bis 2030 von relativ stabilen Neueinschreibungszahlen aus.4.Abgesehen von den Jahren 2025 bis 2027, in denen in einigen Ländern die Rückkehr zum neunjährigen Abitur zum Tragen kommt, erwartet sie jeweils Neueinschreibungen zwischen 480.000 bis 490.000. Für das letzte Jahr der Vorausschau 2030 werden 490.000 Studienanfängerinnen und -anfänger berechnet. Die KMK weist darauf hin, dass durch die Akademisierung weiterer Berufsfelder wie beispielsweise der Gesundheits- und Pflegeberufe die Studierendenzahlen über diesen Angaben liegen könnten. Auch Trends wie die Digitalisierung oder lebenslanges Lernen könnten die Bedeutung der akademischen Bildung weiter steigern.
Viele akademische Nachwuchskräfte
2021 wurden rund 518.000 erfolgreiche Hochschulprüfungen abgelegt. Das war nach dem coronabedingten Minus des Vorjahres ein starkes Plus von 9 Prozent, was zum Teil ein Nachholeffekt sein dürfte, weil 2020 viele Prüfungen verschoben worden sind. Ausgenommen 2020 war seit Anfang des Jahrtausends die Zahl der ausgewiesenen Hochschulprüfungen kontinuierlich gestiegen. Gegenüber 2012 ist sie um 25 Prozent höher. Allerdings ist diese Steigerung mit Zurückhaltung zu bewerten. Ein Teil des Anstiegs wurde auch dadurch hervorgerufen, dass mit den Bachelorprüfungen eine neue Prüfungsart eingeführt wurde, für die vorher kein Pendant existierte. Mehr als die Hälfte der Prüfungen führte 2021 zu einem Bachelorabschluss (54 Prozent).5 2010 lag ihr Anteil noch bei einem Drittel, 2011 bereits bei 40 Prozent. Nur der kleinere Teil startet sofort nach dem Bachelorabschluss in das Berufsleben, viele setzen das Studium fort. Nach Befragungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) nahmen 82 Prozent der Uni-Absolventen nach dem Bachelor ein Masterstudium in Angriff; an den Fachhochschulen war es mit 44 Prozent knapp jeder Zweite.6
Deshalb ist die Zahl der akademischen Berufseinsteiger deutlich kleiner als die Prüfungszahl vermuten lässt und es ist sinnvoll, die Angaben ohne die weiter studierenden Bachelor zu betrachten: Die dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung stehende Absolventenzahl dürfte 2021, so berechnet, rund 360.000 betragen haben. Das waren 20 Prozent mehr als 2012 (statt 25 Prozent, berechnet mit der unbereinigten Prüfungszahl). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Berufseinsteiger um 8 Prozent erhöht (Abbildung 1.9 - 1).
Vor dem Hintergrund bis 2019 konstant hoher Studienanfängerzahlen ist zu erwarten, dass die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in den nächsten Jahren auf ähnlichem Niveau bleiben wird.
Langfristige Zuwächse vor allem in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Um einzuschätzen, wie viele Absolventinnen und Absolventen in den einzelnen Fächergruppen dem Arbeitsmarkt jeweils neu zur Verfügung standen, sind bei den nachfolgend betrachteten Prüfungszahlen die Bachelorprüfungen rechnerisch herausgenommen, bei denen sich ein Masterstudium anschließt.
Mit einem Anteil von 40 Prozent haben die meisten Nachwuchsakademikerinnen und -akademiker 2021 ein Studium der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften abgeschlossen. Im Vergleich zum Jahr 1993 hat sich ihre Zahl auf 144.000 mehr als verdoppelt. Gegenüber dem Vorjahr gab es ein Plus von 10 Prozent (Abbildung 1.9 – 2).
Abbildung 1.9 - 2
Die starke Zunahme der Absolventenzahlen setzt sich nach Einbruch im Kontext der Pandemie in allen Fachrichtungen fort
Bestandene Prüfungen ohne weiterstudierene Bachelor
Veränderung zum Vorjahr bzw. zu 1993 in Klammern
Knapp jede vierte Absolventin bzw. jeder vierter Absolvent hatte ein ingenieurwissenschaftliches Fach oder Informatik studiert. Mit 83.000 Nachwuchs-Technikerinnen und -Technikern waren dies um die Hälfte mehr als 1993. Die viel diskutierten Fachkräfteengpässe beim Ingenieurberuf resultierten in erster Linie aus dem Einbruch der Absolventenzahlen in den Jahren ab 1997. Seit 2003 hat die Zahl der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger stetig zugenommen und erreichte 2019 den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. In Folge der Coronakrise war 2020 ein Rückgang von 7 Prozent zu verzeichnen, 2021 gab es wieder ein Plus von 5 Prozent.
41.000 Absolventinnen und Absolventen der Mathematik und der Naturwissenschaften standen 2021 dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung. Das entspricht einem Anteil von 11 Prozent aller akademischen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern. Seit 2004 haben die Nachwuchszahlen, außer 2020, kontinuierlich zugenommen. Im Vergleich zu 1993 gibt es einen Zuwachs von 58 Prozent zu vermelden. Gegenüber dem Vorjahr ist ihre Zahl um 8 Prozent gestiegen.
Mit 40.000 legten 2021 weitere 11 Prozent aller Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger eine Abschlussprüfung in den Geisteswissenschaften ab. Das Interesse an dieser Fächergruppe hat stark zugenommen – gegenüber 1993 hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt. 2021 gab es ein Plus von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
In der Fächergruppe Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften fällt die Entwicklung über die Jahre vergleichsweise bescheiden aus. Dabei spielt die Steuerung über Zulassungsbeschränkungen in der Medizin eine große Rolle. Das langfristige Plus von 43 Prozent geht weit überwiegend auf das Konto der Gesundheitswissenschaften, während die Prüfungszahlen in der Humanmedizin lange Zeit stagnierten oder sogar zurückgingen.
Bachelor und Master sind zum Regelabschluss geworden
Peu à peu haben Bachelor und Master die traditionellen akademischen Abschlüsse überholt. Im Wintersemester 2022/23 führten 92 Prozent aller Studiengänge zu einem Bologna-Abschluss. An Fachhochschulen liegt die Quote sogar bei 99 Prozent, an Universitäten bei 89 Prozent.7 Die meisten der nicht umgestellten Studiengänge sind solche, die mit Staatsexamen abschließen oder im Zuständigkeitsbereich der Kirchen liegen. Eine Umstellung ist nicht geplant.
86 Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger strebten im Wintersemester 2021/22 einen Bachelor- oder Masterabschluss an, während 2 Prozent einen „klassischen“ Lehramtsabschluss zum Ziel hatten, 9 Prozent ein Staatsexamen oder einen sonstigen universitären Abschluss und 2 Prozent eine Promotion.8 Auch bei den Studierenden und den Prüfungen sind mittlerweile mehr als vier von fünf einem gestuften Studiengang zuzuordnen. Dabei entfiel gut die Hälfte der Prüfungen auf Bachelor- und ein knappes Drittel auf Masterabschlüsse. (Abbildung 1.9 – 3).
Abbildung 1.9 - 3
Bachelor und Master haben sich zum Regelabschluss entwickelt
Anteile Bachelor und Master an allen Studierenden / bestandenen Prüfungen
______
1 Quelle: BIBB Report 3/2022.
2 Quelle: Statistisches Bundesamt; vorläufige Ergebnisse.
3 Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.3., Tabelle 1.1, ohne Bildungsausländer, d. h. ohne Ausländer, die ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht in Deutschland erworben haben, Berechnung nach OECD-Standard.
4 KMK: Vorausberechnung der Studienanfängerzahlen 2021-2030 vom November 2021.
5 Einschließlich Lehrämter.
6 Quelle: DZHW: Forum Hochschule 1/2016, Absolventenjahrgang 2013.
7 Quelle: Hochschulrektorenkonferenz: Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2022
8 Studienanfänger - Studierende im 1. Fachsemester. Die Zahl der Bachelor- und Masterprüfungen schließt jeweils auch Lehramtsstudierende mit Bachelor- oder Masterprüfung ein.
Stand: Juli 2023
1.10 Berufseinstieg mit Bachelorabschluss
PDF-Datei (PDF, 210KB)
Bachelor und Master sind am Arbeitsmarkt angekommen. Laut Mikrozensus verfügten 2022 rund 3,9 Millionen Erwerbstätige über einen Bologna-Abschluss. Davon hatten 2,2 Millionen einen Bachelorabschluss und rund 1,7 Millionen einen Master.
Eine umfassende Befragung des Absolventenjahrganges 2013 schätzt die Arbeitsmarktakzeptanz im Großen und Ganzen positiv ein.1 Gleichwohl zeigen sich auch Schwierigkeiten beim Berufseinstieg, die vor allem bei Uni-Absolventinnen und Absolventen mit Bachelorabschluss häufiger zu Tage treten.
Die Mehrheit der Uni-Bachelor schließt ein Masterstudium an
Vor allem den Studierenden an einer Universität reicht ein Bachelorabschluss nicht aus. Der weit überwiegende Teil startet nach der Bachelorprüfung nicht in das Berufsleben, sondern schreibt sich in einen Masterstudiengang ein. Vier von fünf Uni-Absolvent/-innen haben in den eineinhalb Jahren nach ihrem Bachelorabschluss ein Masterstudium begonnen; bei den Fachhochschulabsolventen war es knapp jeder Zweite (Abbildung 1.10 – 1). Besonders hoch ist der Anteil der Weiterstudierenden in den Ingenieurwissenschaften, den Naturwissenschaften und den Lehrämtern. Darüber hinaus plant jeder fünfte Fachhochschulbachelor zu einem späteren Zeitpunkt den Master nachzuholen; bei Uni-Bachelor beträgt dieser Anteil 8 Prozent.
Für die Hälfte der Studierenden an einer Universität stand bereits vor dem Bachelorstudium fest, anschließend ein Masterstudium aufzunehmen. Lediglich 9 Prozent haben sich erst nach dem Abschluss für ein Weiterstudieren entschieden. An den Fachhochschulen wurde die Entscheidung für ein Masterstudium mehrheitlich erst während des Studiums (56 Prozent) oder nach dem Studium (30 Prozent) getroffen.
Im positiven Fall können diese „späten“ Entscheidungen dafür stehen, dass sich bei den Ba-chelorstudierenden das fachliche Interesse im Laufe des Studiums erhöht hat und der Wunsch nach Vertiefung entstanden ist. Im negativen Fall kann die Entscheidung für ein Masterstudium Ausdruck von Problemen sein, mit dem Bachelorabschluss eine passende Arbeitsstelle zu finden. Tatsächlich begründeten Fachhochschulabsolvent/-innen, die sich erst nach dem Bachelorabschluss für ein Weiterstudieren entschieden haben, ihre Entscheidung häufiger damit, dass es ein zu geringes Stellenangebot gäbe und dass Unternehmen häufig Berufserfahrung, Spezialkenntnisse oder einen anderen Abschluss fordern.
Abbildung 1.10 - 1
Die meisten Universitätsbachelor studieren weiter im Gegensatz zu Fachhochschulbachelor
Verbleib von Bachelorabsolvent/-innen eineinhalb Jahre nach
Studienabschluss, Anteile in Prozent
Arbeitslosigkeit spielt beim Berufseinstieg kaum eine Rolle
Spiegelbildlich zu den unterschiedlichen Übergangsquoten in ein Masterstudium ergibt sich bei den Fachhochschulbachelor eine mit 65 Prozent relativ hohe Erwerbstätigenquote. Von den Universitätsbachelor wird dagegen nur ein kleiner Teil im Zeitraum von anderthalb Jahren nach dem Bachelorabschluss erwerbstätig (25 Prozent).2
Positiv festzuhalten ist, dass Praktika und Übergangstätigkeiten wie Jobben oder Honorartätig-keiten beim Berufseinstieg kaum eine Rolle spielen. Auch Arbeitslosigkeit tritt nur selten auf. Die Arbeitslosenquote lag für Fachhochschulabsolventen bei 3 Prozent, für Uni-Absolventen sogar bei nur 2 Prozent. 3 Allerdings bestätigen sich die größeren Schwierigkeiten der Sprach- und Kul-turwissenschaftler/-innen beim Berufseinstieg, die von den klassischen Abschlüssen her bekannt sind.
Der Anteil Arbeitsloser lag hier mit 7 Prozent (Fachhochschulen) und 5 Prozent (Uni) über dem Durchschnitt. Auch Übergangstätigkeiten, Praktika und Volontariate nahmen in diesem Berufs-feld einen größeren Raum ein (FH 13 Prozent, Uni 14 Prozent).
Fachhochschulbachelor häufiger in adäquater Beschäftigung
Als Qualitätskriterien der Erwerbstätigkeit können Aussagen zur Adäquanz der Beschäftigung, zum Einkommen und zur individuellen Gesamtzufriedenheit herangezogen werden.
Die Mehrheit der erwerbstätigen Bachelor übt ca. eineinhalb Jahre nach dem Studium eine Tätig-keit aus, deren Anforderungen einem Hochschulabschluss entsprechen (Abbildung 1.10 – 2). Dabei sind Fachhochschulbachelor mit 80 Prozent häufiger adäquat beschäftigt als Universi-tätsbachelor mit 69 Prozent. Dieser große Unterschied hängt auch mit dem unterschiedlichen Fächermix von Universitäten und Fachhochschulen zusammen. Nach Fachrichtungen betrachtet schnitten die Geisteswissenschaften am schlechtesten ab. Hier gingen 32 Prozent einer Arbeit nach, die keinen Hochschulabschluss erforderte. Auch in den Wirtschaftswissenschaften ist rund jeder Vierte unterwertig beschäftigt. Die besten Ergebnisse waren für Ingenieurabsolvent/-innen der Fachhochschulen zu verzeichnen.
Abbildung 1.10 - 2
Die Mehrzahl der Bachelor übt eine adäquate Tätigkeit aus
Einschätzung des Adäquanzniveaus der aktuellen Tätigkeit, Anteile in Prozent
Bachelorabsolvent/-innen ca. eineinhalb jahre nach dem Abschluss
Einstiegsgehälter bei Fachhochschulbachelor höher
Das durchschnittliche Vollzeit-Jahresgehalt belief sich ca. eineinhalb Jahre nach dem Universitätsstudium auf 33.200 Euro. Das Einkommen von Fachhochschulbachelor fiel mit 39.100 Euro höher aus. Diese Abstufungen zwischen den Verdiensten zeigen sich in allen Fachrichtungen. Zu den besseren Verdienstaussichten von Fachhochschulabsolvent/-innen trägt bei, dass überproportional viele bereits mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in ihr Studium gestartet sind. Sie verfügten somit über Berufserfahrung und waren älter als ihre Kommilitonen von Universitäten. Unabhängig davon überrascht es nicht, dass die Ingenieurwissenschaften die höchsten Einstiegsgehälter erzielen und Geisteswissenschaften die geringsten.
Hohe Berufszufriedenheit in den Ingenieurwissenschaften
Fachhochschulbachelor waren eineinhalb Jahre nach dem Studium etwas häufiger (sehr) zufrieden mit ihrer beruflichen Situation als Hochschulbachelor (59 Prozent versus 52 Prozent). Ausdrücklich unzufrieden war bei beiden Hochschularten nur eine Minderheit von 15 bzw. 14 Prozent. Hohe Unzufriedenheitswerte gab es in den Geisteswissenschaften und den Sozial- und Politikwissenschaften, wo jeder vierte bis fünfte wenig bzw. überhaupt nicht zufrieden war. Insbesondere im Hinblick auf Einkommen und Aufstiegsmöglichkeiten herrschte hier Unzufriedenheit. Deutlich höhere Zufriedenheitswerte wurden dagegen in den Ingenieurwissenschaften registriert, gefolgt von den Wirtschaftswissenschaften und Lehrämtern.
Vielfältige Einsatzbereiche in Technik und Wirtschaftswissenschaften
Die Unternehmen in Deutschland sehen für Bachelorabsolvent/-innen eine weite Palette von Einsatzfeldern vor. Ingenieure werden am häufigsten in der Konstruktion, in Forschung und Entwicklung oder in Marketing und Vertrieb eingesetzt.4 Es folgen Produktion, Beratung, Schulung und Kundendienst sowie Montage und fertigungsnahe Dienste (Abbildung 1.10 - 3). Es gibt allerdings auch Restriktionen. So zeigen sich Arbeitgeber zurückhaltend gegenüber Bachelorabsolventen, wenn es um forschungsintensive Aufgaben geht oder vertiefte Spezialkenntnisse gefordert sind.5
Abbildung 1.10 - 3
Einsatzbereiche für Bachelor (Technik)
Anteile der Unternehmen, die Bachelor in diesen Bereichen einsetzen
Vier von fünf Unternehmen, die Wirtschaftswissenschaftler mit Bachelorabschluss eingestellt haben, nennen Rechnungswesen, Controlling und Marketing, Marktforschung und Vertrieb als wichtigste Einsatzbereiche. Wirtschaftswissenschaftler/-innen arbeiten häufig auch in betriebs- und volkswirtschaftlichen Abteilungen, im Personalwesen, im Finanzmanagement, Einkauf, Öffentlichkeitsarbeit oder in der Assistenz der Geschäftsleitung (Abbildung 1.10 - 4).
Abbildung 1.10 - 4
Einsatzbereich für Bachelor (Wirtschaftswissenschaften)
Anteile der Unternehmen, die Bachelor in diesen Bereichen einsetzen
Projektaufgaben und Sachbearbeitung als Einstieg
In der Regel werden die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger mit der eigenständigen Bearbeitung einer Projektaufgabe betraut oder sie arbeiten in der Sachbearbeitung nach Anweisung. Die Mehrheit der Unternehmen, die derzeit Bachelor beschäftigen, sehen hierin Einstiegspositionen. Nicht selten bekommen Bachelor auch die Gesamtverantwortung für ein Projekt ohne Personalführung übertragen (in 43 Prozent der Unternehmen), selten dagegen mit Personalverantwortung (14 Prozent). Für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger mit Masterabschluss werden diese Positionen zwar etwas häufiger vorgesehen (54 bzw. 22 Prozent); insgesamt sind jedoch Aufgaben mit hoher Verantwortung die Ausnahme für Berufsanfänger/-innen, egal, welchen Abschluss sie haben.
Karriere ist mit dem Bachelorabschluss möglich, aber es gibt auch Restriktionen
Auch mit dem Bachelorabschluss kann man Karriere machen. So gibt es in zwei von drei Unternehmen, die Bachelor beschäftigen, bereits welche, die als Abteilungsleiter/-innen arbeiten. In mehr als vier von fünf Betrieben haben Bachelorabsolvent/-innen die Position der Projektleitung erreicht. Allerdings gibt es durchaus Karrierepositionen, die Bachelorabsolventen verschlossen bleiben. So gibt es in jedem fünften Unternehmen, das mehr als 250 Beschäftigte hat, Aufgaben, für die ein höherer Studienabschluss erwartet wird. Oft betrifft das oberste Führungskräfte wie Vorstand oder Geschäftsführung, manchmal aber auch das mittlere Management. Auch wissenschaftsnahe oder sehr spezialisierte Fach- und Leitungsaufgaben können Bewerber/-innen mit Masterabschluss oder Promotion vorbehalten sein.
Leistungsmotivation ist entscheidend
Wenn es um die Auswahl für höhere Fach- und Führungspositionen geht, spielt die Art des Abschlusses zwar eine Rolle, aber nicht die größte: Für knapp jedes vierte Unternehmen ist ein Masterabschluss sehr wichtig oder eher wichtig, während für ähnlich viele Unternehmen die Abschlussart völlig unwichtig ist. Die Hälfte der Betriebe schätzt die Art des Abschlusses und des besuchten Hochschultyps als eher unwichtig ein. Viel zentraler für einen beruflichen Aufstieg sind Leistungsmotivation, die Identifikation mit den Zielen des Unternehmens und die Kommunikationsfähigkeit. Andere motivieren zu können und führen zu wollen, ist ebenfalls entscheidend für einen beruflichen Aufstieg; ebenso wie Bewährung im Unternehmen und Bereitschaft zur Weiterbildung (Abbildung 1.10 – 5).
Abbildung 1.10 - 5
Formaler Abschluss eher zweitrangig für die Karriere- Leistungsmotivation der Identifikation sind wichtiger
Auswahlkriterien für höhere Fach- und Führungspositionen, Anteile in Prozent
Fazit: Bachelor als neuer Abschluss akzeptiert
Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse: Die pauschale Befürchtung, der Bachelorabschluss vermittle keine Berufsbefähigung, ist unbegründet. Viele Unternehmen beschäftigen Bachelorabsolvent/-innen und auch ein beruflicher Aufstieg ist möglich. Beim Berufseinstieg und den Beschäftigungschancen zeigt sich allerdings eine ähnliche Abstufung der Fachrichtungen wie bei den herkömmlichen Abschlussarten: In den MINT-Fächern gibt es überdurchschnittlich gute Chancen, in den Sprach-, Kultur- und Geisteswissenschaften ist es schwieriger, denn hier sind einschlägige Arbeitsplätze rar. Im Vergleich der Hochschularten gelingt der Berufsstart den Fachhochschulbachelor besser als den Bachelor von Universitäten.
___________
1 DZHW: Forum Hochschule 1/2016.
2 Aufgrund des relativ langen Befragungszeitraumes von etwa eineinhalb Jahren und nicht immer fließender Übergänge zwischen Studium und Erwerbstätigkeit ergeben sich durch Mehrfachnennungen Anteile von erwerbstätig gewordenen Absolventen und Masterstudierenden von zusammen über 100 Prozent.
3 Die Angaben in diesem Absatz beziehen sich auf die Befragung des Absolventenjahrgangs 2009, da für den Absolventenjahrgang 2013 keine entsprechenden Angaben veröffentlicht sind. Quelle: HIS: Forum Hochschule 17/2011.
4 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft:, Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Karrierewege für Bachelorabsolventen, Essen 2015. Die Befragung richtet sich nur an Absolventen der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften.
5 Qualitative Interviews mit Großunternehmen in: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Hochschulinformationssystem (HIS), Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Mit dem Bachelor in den Beruf – Arbeitsmarktbefähigung und -akzeptanz von Bachelorstudierenden und -absolventen, Essen 2011.
Stand: Juli 2022
1.11 Berufseinstieg mit Masterabschluss
PDF-Datei (PDF, 163KB)
Nach drei bis vier Monaten sind die meisten erwerbstätig
Mit 88 Prozent übte die Mehrzahl der Masterabsolventinnen und -absolventen des Absolventenjahrgangs 2013 eineinhalb Jahre nach dem Studium eine Erwerbstätigkeit aus. An den Fachhochschulen, an denen die Promotion seltener ist, waren es sogar 95 Prozent.
Rund drei bis vier Monate haben die Master durchschnittlich nach einer Stelle gesucht. Am kürzesten war die Suchzeit bei Absolventinnen und Absolventen der Informatik sowie von Architektur und Bauingenieurwesen. Mit bis zu sechs Monaten dauerte dagegen die Suche in den Sozial- und Politikwissenschaften, in den Geisteswissenschaften, in Psychologie, Pädagogik oder auch bei Wirtschaftswissenschaftlern von Fachhochschulen etwas länger.
Mehrheit ist adäquat beschäftigt
Mit Blick auf die Adäquanz der ausgeübten Tätigkeit hat sich der Masterabschluss vor allem für Universitätsabsolventinnen und -absolventen gelohnt. Gaben noch lediglich 69 Prozent der Uni-Bachelor an, eine Tätigkeit auszuüben, für die ein Hochschulabschluss notwendig war, stieg dieser Anteil bei den Uni-Masterabsolventinnen und -absolventen auf 94 Prozent. Allerdings waren darunter 8 Prozent, für deren Aufgabenwahrnehmung auch ein Bachelorabschluss ausgereicht hätte (Abbildung 1.11 – 1). Nur für die Tätigkeit von 5 Prozent der Uni-Master wäre ein Hochschulabschluss vollständig entbehrlich gewesen. Auch bei den Masterabsolventinnen und -absolventen von Fachhochschulen übte mit 92 Prozent der Großteil eine Tätigkeit aus, die einen Hochschulabschluss erforderte. Aber 21 Prozent hätten ihre Stelle auch mit Bachelorabschluss erhalten, so dass sich nur 71 Prozent als abschlussadäquat beschäftigt sahen.
Uni-Master bringt deutlichen Gehaltsgewinn gegenüber dem Uni-Bachelor
Das durchschnittliche Jahreseinkommen von vollzeiterwerbstätigen Masterabsolvent/-innen von Universitäten übersteigt mit 43.600 Euro das ihrer Uni-Kommiliton/-innen mit Bachelorabschluss (33.200 Euro) deutlich. Der Gehaltsunterschied zwischen Bachelor (39.100 Euro) und Master an Fachhochschulen (44.100 Euro) fällt bei Weitem nicht so groß aus. Aus der Einkommensperspektive zahlt sich also offensichtlich vor allem für Studierende an einer Universität ein Masterstudium aus, während Absolvent/innen von Fachhochschulen bereits mit Bachelorabschluss vergleichsweise viel verdienen und der Master nur noch einen kleineren Gehaltszuwachs bringt. Letzten Endes sind aber die Einkommensunterschiede zwischen Uni-Master und FH-Master geringfügig.
Hinsichtlich der Fachrichtungen ergibt sich die gleiche Abstufung wie bei den Bachelorstudiengängen. Die höchsten Einkommen werden in den Ingenieurwissenschaften erzielt, gefolgt von der Informatik und den Wirtschaftswissenschaften.
Merklich geringer sind die Gehälter dagegen in den Geistes- sowie Sozial- und Politikwissenschaften.
Abbildung 1.11 - 1
Mehrheit der Master abschlussadäquat beschäftigt, für jeden fünften FH-Master hätte aber ein Bachelor genügt
Einschätzung des Adäquanzniveaus der aktuellen Tätigkeit, Anteile in Prozent
Masterabsolvent/-innen ca. eineinhalb Jahre nach dem Abschluss
Master häufiger zufrieden als Bachelor
Bei den Masterabsolvent/-innen ist der Anteil derjenigen, die mit ihrer beruflichen Situation zufrieden sind, bei beiden Hochschularten höher als bei den Bachelorabsolventen. Lediglich
11 bzw. 13 Prozent zeigen sich explizit unzufrieden (Abbildung 1.11 – 2). Die meisten negativen Einschätzungen gibt es in den Sozial- und Politikwissenschaften, gefolgt von den Geisteswissenschaften und der Psychologie und Pädagogik. Die Bewertungen dieser seit jeher für ihre schwierigere Marktposition bekannten Studienfächer führen dazu, dass der Anteil der zufriedenen Masterabsolventen von Universitäten insgesamt geringer ausfällt als an Fachhochschulen. Vergleicht man aber die großen Fächergruppen Ingenieurwesen, Wirtschaftswissenschaften und Informatik miteinander, die an beiden Hochschularten gelehrt werden, bewerten die Universitätsmaster ihre Situation häufiger positiv als Fachhochschulmaster.
Abbildung 1.11 - 2
Master häufiger zufrieden als Bachelor
Zufriedenheit mit der beruflichen Situation, Anteile in Prozent
Absolvent/-innen ca. eineinhalb Jahre nach dem Abschluss
Master gut positioniert, aber Unterschiede nach Studienfächern
Insgesamt bestätigt die Befragung, dass der Master als neue Abschlussart gut positioniert ist. Ein wenig verhaltener scheint sich die berufliche Situation dabei für die Masterabsolvent/-innen von Fachhochschulen darzustellen. Hier fallen die Vorteile gegenüber dem FH-Bachelorabschluss nicht so deutlich aus wie bei den Absolvent/-innen von Universitäten. Das liegt aber auch daran, weil der FH-Bachelor am Arbeitsmarkt besser platziert ist als der Uni-Bachelor. Im Vergleich der Hochschularten schneidet der Universitätsmaster in Punkto Adäquanz der ausgeübten Tätigkeiten oder beruflicher Zufriedenheit etwas besser ab als der Master von Fachhochschulen.
Entscheidender als die Hochschulart ist für den beruflichen Erfolg und die Berufszufriedenheit nach wie vor das Studienfach. Ähnlich wie beim Bachelorabschluss oder auch beim traditionellen Diplomabschluss fällt es Absolvent/-innen der Informatik, der Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften in der Regel deutlich leichter sich am Markt zu etablieren als den Absolventinnen und Absolventen der Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften.
Stand: Juli 2022